Die versteckten Kosten des Petrodollars

Aus dem Original „Uncovering The Hidden Costs Of The Petrodollar“ von Alex Gladstein, am 29.04.2021 erschienen im Bitcoin Magazine. Übersetzt von Juniormind.


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Die Weltreservewährung stützt sich auf Öl, Diktatoren, Ungleichheit und den militärisch-industriellen Komplex. Aber ein Bitcoin-Standard könnte dies ändern.


Bei seinem Wachstum vom Konzeptpapier zum Billionen-Dollar-Asset hat Bitcoin eine enorme Menge an Kritik auf sich gezogen. Die Verleumder konzentrieren sich auf die wahrgenommenen negativen Externalitäten: Energieverbrauch, Kohlenstoff-Fußabdruck, Mangel an zentraler Kontrolle und die Unmöglichkeit der Regulation. Unabhängig von der Stichhaltigkeit dieser Argumente machen sich nur wenige Kritiker die Mühe, vergleichsweise über die negativen Externalitäten des derzeitigen weltweiten Finanzsystems, der Dollar-Vorherrschaft nachzudenken.

Das liegt zum Teil daran, dass viele Bitcoin-Kritiker es nur als eine Visa-ähnliche Zahlungsplattform sehen, und seine Leistung und Kosten anhand von „Transaktionen pro Sekunde“ beurteilen. Aber Bitcoin ist kein Fintech-Unternehmen, das mit Visa konkurriert. Es ist ein dezentraler Vermögenswert, der darum konkurriert, die neue globale Reservewährung zu werden, mit dem Ziel, die Rolle zu übernehmen, die Gold einst innehatte und die der Dollar heute spielt.

Die Welt verlässt sich auf den US-Dollar und die US-Treasuries, was Amerika eine unvergleichliche und übergroße wirtschaftliche Dominanz verleiht. Fast 90 % der internationalen Währungstransaktionen werden in Dollar abgewickelt, 60 % der Devisenreserven werden in Dollar gehalten und fast 40 % der weltweiten Schulden sind in Dollar denominiert, obwohl die USA nur etwa 20 % des globalen BIP ausmachen. Dieser Sonderstatus, den der Dollar genießt, entstand in den 1970er Jahren durch einen Militärpakt zwischen Amerika und Saudi-Arabien, der die Welt dazu veranlasste, Öl in Dollar zu bewerten und US-Staatsanleihen zu horten. Während wir die Pandemie und die Finanzkrise von 2020 hinter uns lassen, genießen die amerikanischen Eliten weiterhin das unschätzbare Privileg, das ultimative Geldgut und die Bewertungseinheit für Energie und Finanzen herauszugeben.

In den letzten Jahrzehnten gab es einen enormen globalen Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität, der Bevölkerung, der Demokratisierung, des technologischen Fortschritts und des Lebensstandards, aber es gibt auch viele Mängel in diesem System, über die selten gesprochen wird und die Milliarden von Menschen auf dem ganzen Globus schwer belasten.

Wie sähe die Welt mit einem offenen, neutralen, berechenbaren Basisgeld aus, anstatt jenem, welches von einer Regierung kontrolliert und manipuliert wird, die nur 4% der Weltbevölkerung repräsentiert? Dieser Artikel erforscht die selten diskutierten und erschütternden Schattenseiten des aktuellen Systems in der Hoffnung, dass wir es durch etwas ersetzen können, was gerechter, frei und dezentral ist..

Dieser Aufsatz wird die nur selten erörterte Entstehung des Petrodollars untersuchen und darlegen, wie Amerika brutale Diktatoren unterstützt, seine nationale Sicherheit gefährdet, seine industrielle Basis geschädigt, die fossile Brennstoffindustrie gestützt und geschützt und sogar Konflikte im Ausland ausgetragen hat – alles, um den Status des Dollars als globale Reservewährung zu stärken. Während diese Strategie für die US-Führung viele Jahrzehnte lang funktionierte, bewegt sich die Welt heute unaufhaltsam auf eine multipolare Finanzstruktur und möglicherweise auf einen Bitcoin-Standard zu.

I. Die Geburt des Petrodollars

Das britische Empire war der unbestrittene wirtschaftliche Hegemon des 19. Jahrhunderts, begann aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Kraft zu verlieren, insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte der Dollar das Pfund als einflussreichste nationale Währung der Welt unbestreitbar in den Schatten gestellt.

Die Regierungen verließen sich immer noch auf Gold als zugrundeliegende globale Reservewährung, aber die politischen Entscheidungsträger der USA und Großbritanniens waren entschlossen, ein „flexibleres“ System zu schaffen. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs trafen sich Staats- und Regierungschefs aus 44 Ländern in einem Hotel in Bretton Woods, New Hampshire, um eine neue finanzielle Grundordnung zu schaffen. Der britische Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes propagierte die Idee des Bancor, einer globalen Rechnungseinheit, die von vielen Nationen verwaltet werden sollte. Aber die USA bevorzugten die Idee des Dollars im Zentrum, der zu 35 Dollar pro Unze an Gold gekoppelt war. Da internationale Handelsdefizite immer noch in Gold beglichen werden mussten, bot Amerikas beträchtliche Kontrolle über den weltweiten Goldvorrat und seine günstige Zahlungsbilanzposition den nötigen Hebel, um seinen Willen durchzusetzen.

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte ging die Welt zum Bretton-Woods-Standard über, bei dem die nationalen Währungen an anpassbare Dollarbeträge gekoppelt waren, wobei man sich darauf verließ, dass die USA genug Gold verwahrten und hielten, um das gesamte System aufrecht zu erhalten. Bis in die frühen 1960er-Jahre hinein leistete es einen recht guten Job. Der Dollar wurde zum dominanten Tauschmittel für internationale Abrechnungen, abgesichert durch das Versprechen, in Gold zu zahlen. Amerika wurde die größte Gläubigernation und ein wirtschaftliches Kraftzentrum. Nach der Ermordung von Präsident Kennedy schlug die US-Regierung jedoch einen Pfad mit enormen Sozial- und Militärausgaben ein. Mit Präsident Johnsons „Great Society“-Sozialprogrammen und der Invasion in Vietnam schossen die Schulden der USA in die Höhe. Anders als der Zweite Weltkrieg oder der Koreakrieg war Vietnam der erste amerikanische Krieg, der fast vollständig auf Kredit geführt wurde.

Wie Niall Ferguson in „Ascent of Money“ schrieb, „waren die Defizite des öffentlichen Sektors der USA in den späten 1960er Jahren nach heutigen Maßstäben vernachlässigbar, aber groß genug, um Beschwerden aus Frankreich hervorzurufen, dass Washington seinen Status als Reservewährung ausnutzte, um Seigniorage von Amerikas ausländischen Gläubigern zu kassieren, indem es Dollars druckte, ähnlich wie mittelalterliche Monarchen ihr Monopol auf Münzprägung ausgenutzt hatten, um die Währung zu entwerten.“

Der französische Wirtschaftswissenschaftler Jacques Reuff nannte dies die „monetäre Sünde des Westens„, und die französische Regierung prägte den Begriff „exorbitantes Privileg„. Die schlechte britische Fiskalpolitik erzwang 1967 eine Abwertung des Pfunds, und die Franzosen, die befürchteten, dass unhaltbare amerikanische Ausgaben zu ähnlich negativen Ergebnissen führen würden, wollten ihr Gold noch vor einer Dollarabwertung zurück haben.

1971 waren die US-Schulden einfach zu hoch geworden. Nur 11 Milliarden Dollar in Gold deckten 24 Milliarden Dollar. In jenem August schickte der französische Präsident Pompidou ein Kriegsschiff nach New York City, um die Goldbestände seiner Nation bei der Federal Reserve abzuholen, und die Briten baten die USA, Gold im Wert von 3 Milliarden Dollar, das in Fort Knox gelagert war, zur Rücknahme vorzubereiten. In einer im Fernsehen übertragenen Rede am 15. August 1971 teilte Präsident Richard Nixon dem amerikanischen Volk mit, dass die USA keine Dollars mehr gegen Gold eintauschen würden, als Teil eines Plans, der Lohn- und Preisstopps und einen Importzuschlag beinhaltete, um die Wirtschaft zu retten. Nixon sagte, das Schließen des Goldfensters sei nur vorübergehend, aber wenige Dinge sind so dauerhaft wie vorübergehende Maßnahmen. Als Ergebnis wurde der Dollar um mehr als 10 % abgewertet, und das Bretton-Woods-System hörte auf zu existieren. Die Welt geriet in eine große Finanzkrise, doch als Nixon gefragt wurde, welche Auswirkungen der „Nixon-Schock“ auf ausländische Nationen haben würde, stellte er seine Position klar: „Ich gebe einen Scheiß auf die Lira.“

Wie David Graeber in „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ schreibt: „Nixon entkoppelte den Dollar vom Gold, um für die Kosten eines Krieges aufzukommen, in dem er mehr als vier Millionen Tonnen Sprengstoff und Brandbomben auf Städte und Dörfer in ganz Indochina abwerfen ließ… die Schuldenkrise war eine direkte Folge der Notwendigkeit, für die Bomben zu bezahlen, oder, um genauer zu sein, für die riesige militärische Infrastruktur, die benötigt wurde, um sie zu liefern. Das war es, was eine solch enorme Belastung der US-Goldreserven verursacht hatte.“

Zum ersten Mal in der Geschichte befand sich die Welt in einem reinen Fiat-Standard. Die von den Zentralbanken auf der ganzen Welt gehaltenen Dollar verloren ihre Deckung, und es gab einen geopolitischen Moment, in dem die Dominanz der USA in Frage gestellt wurde und eine multipolare Finanzwelt eine klare Möglichkeit war. Um den Druck noch zu erhöhen, beschlossen die arabischen Erdölexporteure der OPEC 1973, den Weltölpreis zu vervierfachen und ein Embargo gegen die USA zu verhängen, als Reaktion auf deren Unterstützung Israels im Jom-Kippur-Krieg. In nur wenigen Jahren stieg der Preis für ein Barrel Öl von weniger als 2 Dollar auf fast 12 Dollar. Angesichts der zweistelligen Inflation und des weltweit schwindenden Vertrauens in den Dollar kamen Nixon und sein Außenminister und Nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger auf eine Idee, die es ihnen ermöglichen würde, in der Ära nach dem Goldstandard die Politik von „Kanonen und Butter“ fortzusetzenund das Schicksal der Welt zu verändern.

1974 schickten sie den neuen Finanzminister William Simon nach Saudi-Arabien, „um einen Weg zu finden, ein feindliches Königreich davon zu überzeugen, Amerikas wachsendes Defizit mit seinem neu entdeckten Petrodollar-Reichtum zu finanzieren.“ Einfach ausgedrückt, ist ein Petrodollar ein US-Dollar, der an einen Erdölexporteur im Austausch für Öl gezahlt wird. Wie ein Bloomberg-Bericht sagt, war das Grundgerüst „verblüffend einfach“. Die USA würden „Öl von Saudi-Arabien kaufen und dem Königreich militärische Hilfe und Ausrüstung zur Verfügung stellen. Im Gegenzug würden die Saudis Milliarden ihrer Petrodollar-Einnahmen zurück in US-Staatsanleihen stecken und Amerikas Ausgaben finanzieren.“ Dies war der Moment, in dem der US-Dollar offiziell mit dem Öl verheiratet wurde.

Am 8. Juni 1974 unterzeichneten Kissinger und Kronprinz Fahd in Washington Abkommen, die saudische Investitionen in den USA und amerikanische Unterstützung für das saudische Militär festlegten. Nixon flog ein paar Tage später nach Jeddah, um die Details weiter auszuarbeiten. Freigegebene Dokumente enthüllten später, dass die US-Regierung den Saudis vertraulich ermöglichte, Staatsanleihen „außerhalb der regulären Auktionen und zu Vorzugskursen zu kaufen.“ Anfang 1975 kauften sie Schatzbriefe im Wert von 2,5 Milliarden Dollar und begannen damit eine Kauforgie, die sich später zu Hunderten von Milliarden von Petrodollars entwickeln sollte, die in US-Schulden investiert wurden. Jahrzehnte später sagte Gerry Parsky, der damals Stellvertreter von Finanzminister Simon war, dass diese „geheime Vereinbarung mit den Saudis schon vor Jahren hätte aufgelöst werden sollen“, und dass er „überrascht war, dass das Finanzministerium sie so lange aufrecht erhalten hat.“ Er sagte aber auch, dass er es „nicht bereut“, da „der Abschluss des Deals gut für Amerika war.“

1975 folgten die anderen OPEC-Staaten dem Beispiel Saudi-Arabiens. Wer von ihnen und ihrem Vorrat von fast 80% der weltweiten Erdölreserven Öl kaufen wollte, musste in Dollar bezahlen. Dies schuf eine neue Nachfrage nach Amerikas Währung in einer Zeit der globalen Unsicherheit und sogar in einer Zeit anhaltender Inflation. Die sich industrialisierenden Nationen brauchten Öl, und um es zu bekommen, mussten sie nun entweder Waren in die Vereinigten Staaten exportieren oder Dollar auf den Devisenmärkten kaufen, was den globalen Netzwerkeffekt des Dollars erhöhte. Im Jahr 1974 wurden noch 20 % des weltweiten Ölhandels in britischen Pfund abgewickelt, aber diese Zahl fiel bis 1976 auf 6 %. Bis 1975 waren die saudischen Importe von US-Militärgütern von 300 Millionen Dollar auf mehr als 5 Milliarden Dollar gestiegen. Die Ölpreise, die durch den Aufschlag, der mit dem Verkauf in Dollar einherging, in die Höhe getrieben wurden, blieben bis 1985 immens hoch.

II. Auswirkungen des Petrodollars

In seinem Forschungspapier über den Petrodollar argumentiert der politische Ökonom David Spiro, dass die OPEC-Dollar-Gewinne in die US-Schatzkammern „wiederverwertet“ wurden, um die „schuldenfreudige Politik der US-Regierung sowie den Konsum ihrer Bürger auf Pump zu subventionieren.“ Das Petrodollar-Recycling drückte im Laufe der Zeit die Zinssätze nach unten und ermöglichte es den USA, Schulden sehr billig zu begeben. Dieses System wurde nicht durch reine Ökonomie, sondern politisch durch den Pakt mit Saudi-Arabien geschaffen und aufrechterhalten. Wie Alan Greenspan 1977 sagte, als er über seine Erfahrungen als Vorsitzender des Council of Economic Advisers während der Ford-Regierung nachdachte, waren die Saudis „nicht-marktwirtschaftliche Entscheidungsträger.“

Graeber verweist auf das Petrodollar-Recycling als Beispiel dafür, wie US-Treasuries Gold als Weltreservewährung und ultimatives Wertaufbewahrungsmittel ablösten. Der Clou, so erklärt er, sei, dass „im Laufe der Zeit der kombinierte Effekt von niedrigen Zinszahlungen und Inflation dazu führt, dass diese Anleihen tatsächlich an Wert verlieren… Ökonomen bevorzugen dafür jedoch die Bezeichnung ‚Seigniorage‘.“

Seit seiner Schaffung im Jahr 1974 hat das Petrodollar-System die Welt in vielerlei Hinsicht verändert, u.a:

  • Die Schaffung einer engen Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und der saudi-arabischen Diktatur, sowie anderen Tyranneien in der Golfregion.
  • Der steile Aufstieg der „Eurodollar„-Schattenweltwirtschaft, als Petrodollars (die außerhalb der Kontrolle der Federal Reserve geschaffen wurden) die Banken in London und Nordamerika überschwemmten und dann in US-Treasuries recycelt oder an Schwellenländer zurück ausgeliehen wurden.
  • Die Finanzialisierung der amerikanischen Wirtschaft durch den künstlich starken Dollar machte Exporte nicht länger wettbewerbsfähig, höhlte die Mittelschicht aus und verlagerte den Schwerpunkt von der Produktion auf Finanzen, Technologie, Verteidigung und Dienstleistungen, während gleichzeitig der Verschuldungsgrad im System zunahm.
  • Eine zusätzliche Belastung für die Sowjetunion, die sich nun mit einem zunehmend dollarisierten Weltmarkt konfrontiert sah, auf dem die USA zwar Geld drucken konnten, um Öl zu kaufen, aber selbst Öl aus dem Boden holen mussten.
  • Schmerzhafte Probleme für die Volkswirtschaften der Schwellenländer, die sich in Dollar-Schulden verstrickten, die schwer zurückzuzahlen waren, und in einem System feststeckten, das der Dollarakkumulation Vorrang vor inländischen Investitionen einräumte, was den Einkommen schadete und von Mexiko über Ostasien bis Russland und Argentinien, also eigentlich überall, Schuldenkrisen auslöste.
  • Stetiges Wachstum der Ölindustrie und der fossilen Brennstoffe auf Kosten der Atomkraft und der regionalen Energieunabhängigkeit.
  • Und natürlich das Fortbestehen der USA als militärisch-finanzieller Hegemon und die Fähigkeit der USA, gigantische Defizite anzuhäufen, um Kriege und Sozialprogramme zu finanzieren, die alle zum Teil indirekt von anderen Ländern bezahlt werden.

Es gibt Kritiker der Petrodollar-Theorie, die sagen, dass das Phänomen weitgehend ein Mythos ist. Sie sagen, der Dollar sei einfach deshalb so dominant gewesen, weil es keine Konkurrenz gegeben habe. Dean Baker vom Center for Economic and Policy Research hat gesagt, dass „es zwar wahr ist, dass Öl in Dollar bepreist wird und dass das meiste Öl in Dollar gehandelt wird, aber diese Fakten machen kaum einen Unterschied für den Status des Dollars als internationale Währung für das wirtschaftliche Wohlergehen der Vereinigten Staaten.“

In der Zwischenzeit spielen MMT-Theoretiker wie Warren Mosler und Stephanie Kelton die Bedeutung des Petrodollars herunter, indem sie sagen, „er spielt keine Rolle“ oder „er ist irrelevant“, da er nicht einschränkt, was die USA im Inland tun können, und dass es international keine Rolle spielt, in welcher Währung Öl bepreist wird, weil die Länder vor dem Kauf einfach die Währungen tauschen können. Die Kritiker verweisen auch auf die Tatsache, dass der Dollar bereits vor 1973 die Weltreservewährung war und dass die Preisfestsetzung von Rohstoffen in Dollar „nur eine Konvention“ sei und dass „es keinen wirklichen Unterschied machen würde, wenn der Euro, der Yen oder sogar Scheffel Weizen als Rechnungseinheit für den Ölmarkt gewählt würden.“ Sie sagen auch, dass die am Ölhandel beteiligten Dollars im Vergleich zu anderen Nachfragequellen „trivial“ seien.

Aber die Entscheidung Saudi-Arabiens und der OPEC, ihre Ölexporte in Dollar zu bepreisen und die Gewinne in US-Schulden zu investieren, war keine reine Marktentscheidung, und auch keine des Glücks oder des Zufalls, sondern eine politische Entscheidung, die im Austausch für Schutz und Waffen getroffen wurde und zahllose zusätzliche Netzwerkeffekte auslöste, die im Laufe der Zeit den Dollar als Weltreservewährung festigten. Wenn Länder gezwungen sind, ihre eigenen Währungen gegen Dollar zu tauschen, um Öl zu kaufen, erstarkt dieses Handelspaar für das jeweilige Land und erweitert den Einfluss der USA über die Energiemärkte hinaus. In „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ erwähnt Graeber zwar die Debatte darüber, ob Ölverkäufe in Dollar den USA eine Seigniorage bringen oder nicht, sagt aber, dass es letztlich darauf ankommt, „dass die US-Politiker die Tatsache zu spüren scheinen, dass sie symbolisch wichtig sind und sich jedem Versuch widersetzen, dies zu ändern.“

III. Amerikanische Außenpolitik und der Petrodollar

Im Oktober 2000 versuchte Saddam Hussein tatsächlich, das Petrodollar-System zu verändern, als er ankündigte, dass der Irak Öl in Euro und nicht in Dollar verkaufen würde. Bis Februar 2003 hatte er 3,3 Milliarden Barrel Öl für 26 Milliarden Euro verkauft. Mit seinen französischen und deutschen Handelspartnern wurde der „Petro-Euro“ geboren, der, wenn er ausgeweitet würde, dazu beitragen würde, dass sich ein Euro-Markt gegen viele andere Währungen entwickelt, der die Stärke des Euro fördert und das exorbitante Privileg des Dollars aushöhlt. Aber einen Monat später marschierten die USA, unterstützt von Großbritannien, in den Irak ein und stürzten Saddam. Im Juni verkaufte der Irak sein Öl wieder in Dollar.

Zog Amerika in den Krieg, um den Petrodollar zu verteidigen? Diese Möglichkeit wird in rückblickenden Analysen des Krieges fast nie diskutiert, die sich eher auf Fragen des angeblichen irakischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen, Menschenrechtsverletzungen oder Terrorverbindungen fokussieren. Aber zu dieser Zeit wurde der Euro von vielen als realistischer Herausforderer des Dollars gesehen. Wenn man bedenkt, dass der Sturz Saddams im Nachhinein dazu beitrug, Veränderungen zu verhindern und dem Petrodollar-System noch viele Jahre der Dominanz zu bescheren, scheint dies eine der vernünftigeren Erklärungen für den mysteriösesten Krieg der modernen amerikanischen Geschichte zu sein.

Letztes Jahr erschien der Journalist Robert Draper in der Show von Ezra Klein, um sein neues Buch „To Start A War: How The Bush Administration Took America Into Iraq“ zu besprechen. Mit einem Jahrzehnt der Rückschau behandelten sie viele der möglichen Motive für die Invasion, nannten sie aber letztlich einen „Krieg auf der Suche nach einem Grund.“ Bis heute gibt es keinen Konsens darüber, warum genau die USA in den Irak einmarschiert sind, und die offiziellen Gründe haben sich als frei erfunden erwiesen.

Laut dem ehemaligen Finanzminister Paul O’Neill sprach die Bush-Regierung bereits im Februar 2001 intern über die Logistik des Einmarsches in den Irak. „Nicht das Warum“, sagte er, „sondern das Wie und das Wie schnell.“ Blaupausen wurden bereits erstellt. Am 11. September, nur wenige Stunden nach den Anschlägen, ordnete der damalige stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz eine umfassende Studie über Saddams Verbindungen zu terroristischen Organisationen an.

In den nächsten 18 Monaten warb die Bush-Administration für die Kriegsanstrengungen und hatte bis März 2003 eine breite Unterstützung erreicht, vor allem mit Hilfe von Außenminister Colin Powell, der seine Glaubwürdigkeit für eine PR-Kampagne bei den Vereinten Nationen und im Nachrichtenfernsehen einsetzte. Beide Häuser des Kongresses unterstützten die Beseitigung von Saddam, einschließlich der Senatoren Clinton, Kerry, Reid und Biden. Die Medien, von „Fox News“ bis zur „New York Times“, unterstützten die Invasion, ebenso wie 72% der amerikanischen Bevölkerung in Umfragen in den Wochen vor der Invasion. Die öffentliche Begründung war klar: Saddam war gefährlich, man glaubte, dass er Massenvernichtungswaffen besaß, diese an Al-Qaida weitergeben konnte und gestoppt werden musste. Damals sagte Vizepräsident Dick Cheney: „Es kann keinen Zweifel geben, dass Saddam Massenvernichtungswaffen hat.“ Der Krieg wurde auch als humanitärer Einsatz vermarktet und erhielt den Namen „Operation Iraqi Freedom“. Aber im Nachhinein betrachtet, ist Amerika nicht in den Irak einmarschiert, um die Menschenrechte zu fördern. Es gab keine Verbindung zu Al Qaida oder 9/11. Und trotz Cheneys Versprechen wurden keine Massenvernichtungswaffen gefunden.

Andere Motive wurden und werden immer noch diskutiert, einschließlich des Kampfes gegen den Iran, was wenig Sinn macht, wenn man bedenkt, dass die meisten Iraker Schiiten sind und ihre politische Struktur sich während der Besatzung mehr in Richtung Iran neigte, und wenn man bedenkt, dass die USA Saddam in früheren Jahrzehnten genau zu diesem Zweck unterstützt hatten. Die fadenscheinige Natur der offiziellen Kriegsgründe führte dazu, dass viele glaubten, das Öl sei die Hauptursache. Dies wäre nicht ungewöhnlich. In den letzten 150 Jahren waren natürliche Ressourcen der Grund für viele Kriege, Invasionen und Besetzungen, die unsere Welt geprägt haben, darunter das Gerangel um Afrika, das große Spiel in Zentralasien, der Sykes-Picot-Vertrag, die Stürze von Mossadegh und Lumumba und der erste Golfkrieg.

George W. Bush, Colin Powell, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, die provisorische Koalitionsbehörde Paul Bremer und der britische Außenminister Jack Straw haben alle öffentlich bestritten, dass es bei dem Krieg um Öl ging. Aber der ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve, Alan Greenspan, schrieb in seinen Memoiren: „Ich bin traurig, dass es politisch unbequem ist, anzuerkennen, was jeder weiß: Im Irakkrieg ging es größtenteils um Öl“ und sagte den Medien, dass die Beseitigung Saddams „wesentlich“ war, um die weltweite Ölversorgung zu sichern. Der ehemalige Leiter der US-Operationen im Irak, General John Abizaid, sagte, dass „es natürlich um Öl geht; das können wir nicht wirklich leugnen.“ Und der ehemalige Verteidigungsminister Chuck Hagel gab 2007 zu, dass „die Leute sagen, wir kämpfen nicht für Öl. Natürlich tun wir das.“

Es stimmt, dass Amerika selbst zu dieser Zeit keinen maßgeblichen Teil seines Öls aus dem Nahen Osten bezog. Im Jahr 2003 bezogen die USA den größten Teil ihres Öls aus heimischer Produktion plus Quellen in Kanada, Mexiko und Venezuela. Vor diesem Hintergrund erscheint der Einmarsch in den Irak, nur um das Öl zu „kontrollieren“, als schwacher Grund. Und die meisten konnten leicht vorhersagen, dass ein heißer Krieg die irakische Öl-Infrastruktur beschädigen würde, was zu langen Verzögerungen führen würde, bevor die Produktion wieder hochgefahren werden könnte. Aber vielleicht wurde der Krieg nicht wegen des Öls im allgemeinen Sinne geführt, sondern speziell, um das Petrodollar-System zu verteidigen.

Nach der Invasion im Mai 2003, Wochen bevor der Irak wieder dazu überging, Öl in Dollar zu verkaufen, schrieb Howard Fineman in Newsweek, dass die Europäer in der U.N. darüber stritten, ob sie die Suche nach den Massenvernichtungswaffen, die sie nicht finden konnten, fortsetzen sollten oder nicht. Er berichtete, dass es bei dem eigentlichen Streit „überhaupt nicht um WMDs geht. Es geht um etwas ganz anderes: wer irakisches Öl verkaufen – und kaufen – darf, und welche Form von Währung verwendet wird, um den Wert der Verkäufe zu bepreisen.“

Wie Graeber fragt: „Wie sehr hat Husseins Entscheidung, sich gegen den Dollar zu stellen, wirklich die Entscheidung der USA beeinflusst, ihn abzusetzen? Unmöglich zu sagen. Seine Entscheidung, ‚die Währung des Feindes‘ nicht mehr zu benutzen, wie er es ausdrückte, war eine in einer Reihe von feindseligen Handlungen, die wahrscheinlich in jedem Fall zum Krieg geführt hätten; wichtig ist hier, dass es weit verbreitete Gerüchte gab, dass dies einer der Hauptfaktoren war, und deshalb kann kein Politiker, der in der Situation ist, einen ähnlichen Schritt zu vollziehen, diese Möglichkeit völlig ignorieren. Auch wenn ihre Nutznießer es nicht gerne zugeben, beruhen alle imperialen Absprachen letztlich auf Terror.“

Im Nachhinein betrachtet waren die frühen 2000er Jahre eine Ära, in der es für die USA angesichts der Herausforderung durch den Euro sinnvoll war, zu handeln. Und ob nun die Verteidigung des Petrodollars das Hauptziel der Invasion im Irak war oder nicht, das Ergebnis war dasselbe: Andere Länder sahen, was Saddam angetan wurde, und waren viele Jahre lang vorsichtig, ihre eigene „Petro“-Währung durchzusetzen. Und das Öl? Die irakische Produktion hat sich von 2001 bis 2019 mehr als verdoppelt und stieg schließlich auf fünf Millionen Barrel Öl pro Tag. Die Finanzwelt ist in den letzten Jahren multipolar geworden, aber 2019 wurden immer noch mehr als 99 % der Zahlungen im Rohölhandel in Dollar abgewickelt.

IV. Diktatoren, Ungleichheit und fossile Brennstoffe

Abgesehen vom Irak-Krieg gibt es mehrere andere wichtige und viel offensichtlichere negative Auswirkungen des Petrodollar-Systems. Die amerikanische Unterstützung für die saudische Diktatur ist eine davon. Obwohl 15 der 19 Flugzeugentführer vom 11. September 2001 sowie Osama Bin Laden selbst Saudis waren, hat sich die US-Regierung gewaltsam gegen jeden Versuch gewehrt, das saudische Regime wegen seiner Verwicklung in den Angriff zu untersuchen, und stattdessen andere Länder als Vergeltung überfallen und bombardiert. Der Petrodollar ist einer der Hauptgründe, warum das mörderische Haus Saud immer noch an der Macht ist.

Im Jahr 2002 sagte der ehemalige US-Botschafter in Saudi-Arabien, Chas Freeman, dem Kongress: „Eines der wichtigsten Dinge, die die Saudis historisch getan haben, zum Teil aus Freundschaft mit den Vereinigten Staaten, ist, darauf zu bestehen, dass der Ölpreis weiterhin in Dollar angegeben wird. Daher kann das US-Finanzministerium Geld drucken und Öl kaufen, was ein Vorteil ist, den kein anderes Land hat.“ Im Jahr 2007 warnten die Saudis die USA, dass sie das Petrodollarsystem fallen lassen würden, wenn sie die „NOPEC“-Gesetzesvorlage des Kongresses weiterverfolgen würden, die es dem Justizministerium ermöglichen würde, die OPEC-Regierungen wegen Manipulation der Ölpreise gemäß Kartellgesetzen zu verfolgen. Der Gesetzentwurf wurde nie in Kraft gesetzt.

Laut einem Bericht der New York Times aus dem Jahr 2016 hat Saudi-Arabien „der Obama-Regierung und Mitgliedern des Kongresses mitgeteilt, dass es amerikanische Vermögenswerte im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar veräußern wird, wenn der Kongress ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglichen würde, die saudische Regierung vor amerikanischen Gerichten für ihre Rolle bei den Anschlägen vom 11. September 2001 zur Verantwortung zu ziehen.“

Im Jahr 2020 verhinderte der damalige Generalstaatsanwalt William Barr, dass der Name eines saudischen Diplomaten, der mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in Verbindung gebracht wurde, an die Öffentlichkeit gelangte, weil eine solche Offenlegung „der nationalen Sicherheit erheblichen Schaden zufügen könnte.“ Nach der Ermordung des Washington-Post-Kolumnisten Jamal Khashoggi wollte Präsident Donald Trump nicht auf Maßnahmen gegen Mohamed bin Salman drängen. Auf „NBC News“ sagte er: „Ich bin nicht so ein Narr, der sagt: ‚Wir wollen keine Geschäfte mit ihnen machen.'“ Präsident Biden hat sich ebenfalls geweigert, MBS direkt zu bestrafen, obwohl ihm Beweise von seinen eigenen Geheimdiensten vorgelegt wurden, die zeigen, dass er den Mord an Khashoggi angeordnet hat, und sagte, dass dies für Amerika zu kostspielig wäre.

Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie trotz des blutigen Krieges des saudischen Regimes im Jemen, der Folterung weiblicher politischer Gefangener und der Ermordung Khashoggis die Beziehung Amerikas zum Königreich unerschütterlich und auf höchster Ebene geschützt bleibt. Laut einer Studie des Stockholm International Peace Research Institute „kauften die sechs Golfstaaten zwischen 2015 und 2019 mehr als ein Fünftel der weltweit verkauften Waffen, wobei Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar die ersten, achten und zehntgrößten Waffenimporteure der Welt waren. Saudi-Arabien allein kaufte ein Viertel der gesamten US-Waffenexporte in diesem Zeitraum, gegenüber 7,4 Prozent in den Jahren 2010-14.“ Der 1974 erstmals geschlossene Ölpreispakt hat auch im Jahr 2021 noch Bestand, obwohl sich die Zeiten stark verändert haben.

Innenpolitisch sind bestimmte Fraktionen Amerikas durch den Petrodollar zu Wohlstand gekommen, aber die Auswirkungen auf den Durchschnittsamerikaner waren negativ. Wie kürzlich in „Foreign Affairs“ geschrieben wurde, „kommen die Vorteile des Dollar-Primats hauptsächlich den Finanzinstitutionen und großen Unternehmen zugute, aber die Kosten werden im Allgemeinen von den Arbeitern getragen. Aus diesem Grund droht die fortgesetzte Dollar-Hegemonie die Ungleichheit sowie die politische Polarisierung in den Vereinigten Staaten zu vertiefen.“ Unternehmen und Vermögensbesitzer haben am meisten vom Niedrigzinsumfeld des Systems profitiert. Wie Feygin und Leusder in „The Class Politics Of The Dollar System“ argumentieren, „nährt die Vorherrschaft des Dollars ein wachsendes amerikanisches Handelsdefizit, das die Wirtschaft des Landes eher auf die Anhäufung von Zinseinnahmen als auf die Zunahme von Produktivität ausrichtet. Dies hat zu einem sinkenden Anteil von Arbeit und Kapital am Einkommen und zur Kostenexplosion für Dienstleistungen wie Bildung, medizinische Versorgung und Wohnmieten beigetragen.“

Da das Petrodollar-System die internationale Nachfrage nach dem Dollar über Jahrzehnte hinweg künstlich hoch hielt, wurde Amerikas Produktionsbasis schwach, war nicht länger wettbewerbsfähig und verlor Arbeitsplätze an Übersee. Normalerweise führt eine zu starke Währung am Ende zu einem Defizitproblem und ist gezwungen, abzuwerten, um Exporte zu verkaufen. Aber, wie die Investorin Lyn Alden in „The Fraying Of The US Global Currency Reserve System“ aufzeigt, ist das bei den USA aufgrund der kontinuierlichen Bezahlung des Defizits durch ausländische Nationen nie passiert. Im Jahr 1960 identifizierte der Ökonom Robert Triffin dieses Phänomen, das heute als Triffin-Dilemma bekannt ist: Um die Weltreservewährung zu bleiben, müssen die USA globale Liquidität bereitstellen, indem sie immer größere Defizite eingehen, was eines Tages das Vertrauen in den Dollar untergraben muss.

Der US-Finanzsektor hat sich aufgebläht und macht heute 20% des BIP aus, verglichen mit 10% im Jahr 1947. Diese Finanzialisierung hat die Elite an den Küsten mit ihren Vermögenswerten bereichert und gleichzeitig die Arbeiter im Rust Belt ruiniert, die mit stagnierenden Löhnen zu kämpfen haben. Dies hat zu Populismus und extremer Ungleichheit geführt, wobei das durchschnittliche Vermögen in den USA unter den fortgeschrittenen Nationen immer noch relativ hoch ist, während das Median-Vermögen relativ niedrig ist. Auf diese Weise argumentieren Alden und andere makroökonomische Denker wie Luke Gromen, dass die Vorherrschaft des Dollars den USA in ihrem Wettbewerb mit Nationen wie China schadet, die in der Lage sind, sich ständig Dollars zu leihen, um Sachwerte zu horten und die Kontrolle über wichtige globale Lieferketten zu konsolidieren.

Und dann haben wir natürlich noch den Petrodollar selbst und seine Auswirkungen auf die Umwelt. Wie Reuters berichtete, „wenn der Ölverbrauch in Dollar zugunsten von selbst produzierten Wind-, Solar- oder Wasserenergiequellen zurückgeht, dann könnte der anschwellende Pool an globalen Petrodollars, die von den großen Ölproduzenten der Welt seit dem Ende des Goldstandards in den 1970er Jahren recycelt und investiert wurden, mit ihm abfließen.“ Einfach ausgedrückt, würde ein globaler Wechsel zu erneuerbaren Energien eine große Delle in die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen schlagen, was dem Petrodollar-System und der Fähigkeit der USA, massive Defizite ohne Konsequenzen auflaufen zu lassen, den Todesstoß versetzen könnte. Die Ölinteressen haben sich in den letzten Jahrzehnten aggressiv gegen Versuche gewehrt, Atomenergie und erneuerbare Energien zu entwickeln. Das US-Militär ist nach wie vor der größte Einzelverbraucher von Erdölressourcen.Wenn die globale Reservewährung buchstäblich auf den Verkauf von Öl angewiesen ist, hat die Welt ein massives Kohlenstoffemissionsproblem. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Petrodollar, wie besprochen, durch die globale Präsenz des US-Militärs verteidigt wird, das einen Kohlenstoffausstoß von der Größe einer mittelgroßen Nation hat, das durch Amerikas Notwendigkeit, den Dollar zu schützen, übertrieben groß ist und der durch die ölpreissteigernden Kriege, die die USA auf verschiedenen Kontinenten führen, noch verstärkt wird. Es ist wirklich unmöglich für das Petrodollar-System, grün zu sein, wenn es auf schwarzem Gold basiert.

V. Bitcoin und eine multipolare Welt

Die US-Außenpolitik hat den Petrodollar viele Jahrzehnte lang dominant gehalten, aber seine Macht beginnt unbestreitbar zu schwinden. Viele Amerikaner, einschließlich dieses Autors, sind durch dieses System unglaublich privilegiert worden, aber das wird nicht ewig andauern.

Luke Gromen nennt das Petrodollar-System eine „Firmenstadt„, in der die USA die Kontrolle über die Ölpreise mit Drohungen und Gewalt durchgesetzt haben. Nach dem Fall der Sowjetunion, sagt er, hätte Amerika das System umstrukturieren und ein weiteres Bretton Woods abhalten können, aber es hielt an dem unipolaren Zustand fest. Über den Schutz des Systems vor Störungen wie dem Petro-Euro hinaus, sagt Gromen, dass Amerika die Lebensdauer des Systems verlängerte, indem es NAFTA ins Leben rief und China 2001 half, der Welthandelsorganisation beizutreten. Diese Schritte ermöglichten es den USA, weiterhin Produktionsgüter und Staatsanleihen im Austausch für Waren und Dienstleistungen ins Ausland zu exportieren. Er merkt an, dass 2001 Chinas US-Treasury-Bestände 60 Milliarden Dollar betrugen, aber ein Jahrzehnt später auf 1,3 Billionen Dollar anstiegen. Von 2002 bis 2014 waren Staatsanleihen Amerikas größter Exportschlager, wobei ausländische Zentralbanken 53% der Emissionen kauften und sie als eine neue Form von Gold verwendeten. Aber seitdem haben sich China und andere Regierungen von Staatsanleihen getrennt und uns zu einem neuen System gedrängt, in der Erwartung, dass dieses Gold an Wert verliert. Laut Gromen erkannten sie, dass der Ölpreis irgendwann in die Höhe schießen würde, wenn der Dollar weiterhin in Öl gepreist würde, während die USA immer höhere Schulden im Verhältnis zum BIP machten (von 35% in den 1970er Jahren auf über 100% heute). Europa war in den frühen 2000er Jahren nicht in der Lage, das Petrodollar-System zu stören, aber im Laufe der Zeit erodierte die Vorherrschaft der USA und ihre Fähigkeit, andere Nationen daran zu hindern, den Ölpreis in ihren eigenen Währungen anzugeben.

Immer mehr Länder denominieren den Ölhandel in anderen Währungen, wie Euro, Yuan und Rubel, teils weil sie die Abhängigkeit von einem schwächelnden System fürchten, teils weil die US-Regierung den Dollar weiterhin als Waffe einsetzt. Das amerikanische Sanktionssystem ist unglaublich mächtig, da es Gegner vom SWIFT-Zahlungsnetzwerk oder von der Weltbank oder dem IWF abschneiden kann. Wie die Financial Times berichtete, „hat Joe Biden durch die Verwendung amerikanischer Banken als Knüppel gegen Russland die Bereitschaft gezeigt, das US-Finanzsystem als Waffe gegen Feinde zu benutzen, an eine Taktik anknüpfend, die während der Obama-Jahre verfeinert und unter Donald Trump dramatisch verschärft wurde.“

In diesem Monat prangerte Präsident Biden öffentlich das Nord Stream2-Pipeline-Projekt an, das auf dem Schwung aufbauen würde, den der russische Präsident Wladimir Putin bereits mit Rosneft hat, indem er durch Europas Verbindung mit Russland mehr als 5% des weltweiten Öls in Euro bepreist. Team Biden will das Projekt angeblich „killen„, und seine Beamten haben kommentiert, dass das Primat des Dollars für die Regierung „enorm wichtig“ bleibt und dass „es in unserem nationalen Interesse liegt, weil es einen Finanzierungskostenvorteil bietet, [weil] es uns erlaubt, Schocks zu absorbieren… und uns ein enormes geopolitisches Druckmittel gibt.“ Dies ist ein bemerkenswerter Hinweis darauf, wie wichtig das Petrodollarsystem für die USA auch 50 Jahre nach seiner Gründung politisch bleibt, trotz der Kritiker, die sagen, dass die Welt den Dollar aus reinen Marktgründen verwendet.

Viele Länder wollen sich der finanziellen Kontrolle der USA entziehen, und dieser Wunsch beschleunigt die globale Entdollarisierung. So wickeln beispielsweise China und Russland seit letztem Jahr nur noch 33% ihrer Transaktionen in Dollar ab, während es vor sieben Jahren noch 98% waren. China weitet den Ölhandel in Yuan aus, und viele befürchten, dass das neue DC/EP-Projekt (Digitaler Yuan) der Kommunistischen Partei Chinas ein Trick ist, um die internationale Verwendung des Yuan zu fördern. In der Zwischenzeit hat der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker gesagt: „Es ist absurd, dass Europa 80 Prozent seiner Energieimportrechnung – im Wert von 300 Milliarden Euro pro Jahr – in US-Dollar bezahlt, wenn nur etwa 2 Prozent unserer Energieimporte aus den Vereinigten Staaten kommen.“ Während der Dollar immer noch dominiert, deuten die Trends darauf hin, dass andere Hauptwährungen in den kommenden Jahren an Zugkraft gewinnen werden.

Neben dem Übergang zu einer multipolaren Währungswelt könnte eine weitere Bedrohung für den Petrodollar das vom IWF eingesetzte Sonderziehungsrecht (SZR) sein, das auf dem Dollar, Euro, Pfund, Yen und Yuan basiert. Inspiriert von Keynes und seiner gescheiterten Bancor-Idee aus Bretton Woods, hat das SZR in den letzten Jahren mehr Zugkraft erlangt, wobei mehr als 200 Milliarden Einheiten im Umlauf sind und weitere 650 Milliarden möglicherweise geschaffen werden. Aber nur wenige Regierungen in einer wirtschaftlichen Machtposition würden ihre monetäre Kontrolle bereitwillig an eine nicht gewählte Buchstabensuppenorganisation abgeben.

Was das Gold betrifft, so wird die Welt nicht zurückgedreht. Wie Jacques Rueff in den 1960er Jahren schrieb, „werden sich die Geldmanager in einer Demokratie immer für die Inflation entscheiden; nur ein Goldstandard nimmt ihnen diese Möglichkeit.“ Der linke Historiker Michael Hudson erklärt, dass er in den 1970er Jahren zusammen mit dem rechten Gelehrten Herman Khan versuchte, der US-Regierung ein unpolitisches Argument für die Rückkehr zum Goldstandard zu liefern: „Er und ich gingen hin und hielten eine Präsentation vor dem US-Finanzministerium, in der wir sagten: ‚Gold ist ein friedliches Metall, weil es eine Einschränkung der Zahlungsbilanz darstellt. Wenn Länder ihr Zahlungsbilanzdefizit in Gold bezahlen müssten, könnten sie sich die Zahlungsbilanzkosten für einen Krieg nicht leisten.‘ Das wurde so ziemlich akzeptiert, und deshalb antworteten die Vereinigten Staaten im Grunde: „Deshalb gehen wir nicht zurück zu Gold. Wir wollen in der Lage sein, in den Krieg zu ziehen, und wir wollen, dass die einzige Alternative, um Zentralbankreserven zu halten, der US-Dollar ist.'“ Gold ist nach Ansicht der meisten Ökonomen heute einfach zu restriktiv.

Eine Studie aus dem Jahr 2020, die im Journal of Institutional Economics veröffentlicht wurde, postulierte vier mögliche zukünftige monetäre Ergebnisse für die Welt: eine fortgesetzte Dollar-Hegemonie, konkurrierende Währungsblöcke (in denen die EU und China als Gegengewicht zu den USA agieren), eine internationale monetäre Föderation (in der an der Spitze der internationalen Hierarchie nicht mehr ein Staat steht, sondern die BIZ und das SZR) und eine internationale monetäre Anarchie, in der die Welt in weniger verbundene Inseln schrumpft. Die Autoren übersahen jedoch eine fünfte Möglichkeit: einen Bitcoin-Standard, bei dem die digitale Währung zum globalen Reservewert wird.

Seit seiner Erschaffung im Jahr 2009 durch Satoshi Nakamoto ist der Wert von Bitcoin von weniger als einem Penny auf mehr als $50.000 gestiegen und hat sich als Wertaufbewahrungsmittel und mancherorts auch als Tauschmittel in allen größeren Städten der Erde verbreitet. Im vergangenen Jahr haben Fortune-500-Unternehmen wie Tesla und Staatsfonds wie Temasek aus Singapur begonnen, Bitcoin aufgrund seiner inflationsresistenten Eigenschaften zu horten. Viele nennen es digitales Gold.

Wir sind sehr wahrscheinlich Zeugen der Geburt nicht nur eines neuen ultimativen Wertaufbewahrungsmittels, sondern auch eines neuen globalen Basisgeldes, neutral und dezentralisiert wie Gold, aber im Gegensatz zu Gold auch programmierbar, teleportierbar, leicht überprüfbar, absolut knapp und resistent gegen zentralisierte Vereinnahmung. Jeder Bürger oder jede Regierung kann mit einem einfachen Internetzugang jede beliebige Menge an Bitcoin empfangen, speichern oder senden, und keine Allianz oder kein Imperium kann diese Währung entwerten. Es ist, wie einige sagen, die Währung für Feinde: gegnerische Parteien können das System nutzen und gleichermaßen profitieren, ohne sich gegenseitig zu beeinträchtigen.

Da der Wert von Bitcoin im Vergleich zu Fiat-Währungen steigt, werden mehr und mehr Unternehmen und Einzelpersonen beginnen, Bitcoin zu akkumulieren. Schließlich werden es auch Regierungen tun. Zuerst werden sie ihn als kleinen Teil ihres Portfolios neben anderen Reservewährungen hinzufügen, aber schließlich werden sie versuchen, so viel wie möglich zu kaufen, zu schürfen, zu besteuern oder zu beschlagnahmen.

Geboren zu einer Zeit, als die bisherige Weltreservewährung ihren Höhepunkt erreicht hatte, könnte Bitcoin ein neues Modell einführen, mit mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Zurückhaltung. Jeder mit einem Internetanschluss wird in der Lage sein, seine Löhne und Ersparnisse zu schützen, aber Regierungen, die nicht so einfach Geld aus einer Laune heraus erschaffen können, werden nicht in der Lage sein, ewige Kriege zu führen und massive Überwachungsstaaten aufzubauen, die den Wünschen ihrer Bürger widersprechen. Es könnte zu einer stärkeren Angleichung zwischen den Herrschenden und den Beherrschten kommen.

Die große Befürchtung ist natürlich, dass Amerika seine exorbitanten Sozialprogramme und Militärausgaben nicht mehr finanzieren kann, wenn es weltweit weniger Nachfrage nach dem Dollar gibt. Wenn die Menschen den Euro oder den Yuan oder Anleihen aus anderen Ländern bevorzugen, wären die USA in ihrer jetzigen Form in großen Schwierigkeiten. Nixon und Kissinger entwarfen den Petrodollar, damit die USA von der weltweiten Nachfrage nach an Öl gebundenen Dollars profitieren konnten. Die Frage ist, warum kann es nicht eine globale Nachfrage nach Dollars geben, die an Bitcoin gebunden sind?

Unabhängig vom Basisgeld könnte es immer noch Fiat-Währungen und Staatsschulden geben, deren Preise sich nach der wirtschaftlichen Macht und der Bitcoin-Position dieser Länder richten. Und in der aufstrebenden Bitcoin-Welt ist Amerika in vielen Kategorien führend, sei es bei der Infrastruktur, der Softwareentwicklung, dem tatsächlichen Besitz durch die Bevölkerung und, angesichts der aktuellen Trends, zunehmend beim Mining. Amerika ist auch auf Freiheit, Chancengleichheit, freie Meinungsäußerung, Privateigentum, offene Kapitalmärkte und andere Werte und Institutionen aufgebaut, die Bitcoin stärkt und nachklingen lässt. Wenn Bitcoin schließlich zum globalen Basisgeld wird, dann ist Amerika in der Lage, aus dieser Transformation Kapital zu schlagen.

Das bedeutet keine Abhängigkeit mehr von Diktatoren und geheimen Pakten im Nahen Osten, keine Notwendigkeit mehr, andere Länder zu bedrohen oder in sie einzumarschieren, um die Vorherrschaft des Dollars zu bewahren, und kein Widerstand mehr gegen nukleare oder andere erneuerbare Energietechnologien, um die fossile Brennstoffindustrie zu schützen. Anders als das Petrodollarsystem könnte Bitcoin sehr wohl den globalen Energiewandel hin zu erneuerbaren Energien beschleunigen, da Miner immer die billigsten Stromquellen wählen und die Trends auf billigere erneuerbare Energien in der Zukunft hindeuten.

Unter dem Bitcoin-Standard würde jeder nach den gleichen Regeln spielen. Keine Regierung oder Allianz von Regierungen kann die Geldpolitik manipulieren. Aber jeder Einzelne kann sich für eine nichtdiskretionäre, regelbasierte Währung entscheiden und ein Sparinstrument kontrollieren, das historisch gegenüber Waren und Dienstleistungen immer wertvoller wurde. Dies wäre ein dramatischer Nettovorteil für die meisten Menschen auf der Erde, besonders wenn man bedenkt, dass Milliarden heute unter hoher Inflation, finanzieller Repression oder wirtschaftlicher Isolation leben.

Dieser Übergang mag für autoritäre Regime, die geschlossener, tyrannischer, gewaltsamer umverteilend und isolierter sind als liberale Demokratien, nicht so angenehm sein. Aber nach Ansicht dieses Autors wäre das eine gute Sache, die Reformen erzwingen könnte, wo Aktivismus allein versagt hat.

Das multipolare Abdriften der Welt ist unvermeidlich. Kein einziges Land kann in naher Zukunft so viel Macht erlangen wie Amerika am Ende des 20. Jahrhunderts hatte. Die USA werden noch für eine lange Zeit eine Macht sein, aber auch China, die EU, Russland, Indien und andere Nationen. Und sie könnten in einem neuen Währungssystem konkurrieren, das sich vom Petrodollar und all seinen kostspieligen Externalitäten wegbewegt: ein neutraler Bitcoin-Standard, der die Stärken offener Gesellschaften ausspielt, nicht von Diktatoren oder fossilen Brennstoffen abhängt und letztlich von den Bürgern und nicht von der eingefahrenen Elite geführt wird.

Dies ist die Übersetzung eines Gastbeitrags von Alex Gladstein im Bitcoin Magazine. Die geäußerten Meinungen sind vollständig seine eigenen und spiegeln nicht unbedingt die von BTC Inc oder dem Bitcoin Magazine wider.

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