Gradually, Then Suddenly – Erst allmählich, dann schlagartig

Aus dem Original “Gradually, then suddenly” von Parker Lewis am 26. Juli 2019 erschienen in der Serie Gradually, Then Suddenly von Unchained Capital. Übersetzt von actionslave, Lektorat durch Yvette.

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Einleitung

Inspiriert von meinen Freunden Marty Bent und Saifedean Ammous habe ich mich entschlossen, über das Thema Bitcoin zu schreiben. Bildung ist ein sehr wichtiger Aspekt von Bitcoin und ich hoffe, dass ich anderen helfen kann, ein komplexes Thema schneller zu verstehen, indem ich meine eigenen Gedanken destilliere.  Ich habe der Serie den Titel „Gradually, then suddenly“ gegeben. So hat Hemingway den Prozess des Bankrotts beschrieben und entspricht der  Art und Weise, wie staatlich gestützte Währungen hyperinflationieren und wie die Menschen häufig dazu kommen, Bitcoin zu verstehen : erst ganz allmählich und dann schlagartig. 

Die Beiträge werden sich im Allgemeinen auf Bitcoin beschränken, aber auch die Fed und die Geldwirtschaft einbeziehen, da diese Themen eng miteinander verwoben sind. Da ich versuchen werde, mich kurz zu fassen, wird die Serie meine wichtigsten Schlussfolgerungen und Meinungen zum Ausdruck bringen, anstatt jedes Argument wiederzugeben, das zu meinen Folgerungen geführt hat; meine Absicht ist es, einen Einblick in meinen Denkprozess zu geben und einen Fahrplan zu erstellen, falls andere daran interessiert sind, mehr zu erfahren. Meine Hoffnung ist, ein breiteres Publikum zu erreichen (über diejenigen hinaus, die mich auf meiner eigenen Reise geprägt haben) und Außenstehenden zu helfen, ein besseres Verständnis dafür zu erlangen, warum sich viele von uns so sehr auf Bitcoin als Thema konzentrieren. Die dargestellten Ansichten sind ausdrücklich meine eigenen und nicht die von Unchained Capital oder meinen Kollegen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und bitte um Feedback.

Bitcoin ist Geld

Oder besser gesagt: Bitcoin ist (für mich) zu Geld geworden. Es war ein langsamer Prozess, bei dem eine Reihe von Denkblockaden gelöst werden mussten. Aber es begann mit der Frage: Was ist Geld? Das ist der Anfang des echten Kaninchenbaus. Jedoch nicht der spekulative Kaninchenbau, bei dem ich nach einem Lottoschein für die Blockchain suchen würde, um die Welt zu verändern. Im Grunde ist es das Kaninchenloch, das versucht, die Frage zu beantworten: „Warum ist der Dollar in meiner Tasche Geld?“ Warum tauschen Hunderte von Millionen Menschen jeden Tag ihren hart verdienten, realen Wert gegen dieses Stück Papier (oder dessen digitale Repräsentation) ein? Es ist schwer genug, diese Frage zu stellen – und noch schwieriger, sie zu beantworten. Mir ist klar geworden, dass sich jeder auf seine eigene Art und Weise und auf seiner eigenen Zeitachse geleitet von seinen eigenen Lebenserfahrungen damit auseinandersetzen muss. Die Menschen müssen an dieser Frage interessiert sein, um Bitcoin überhaupt zu verstehen.

“Was ist Geld? Das ist der eigentliche Eingang in den Kaninchenbau.”

Für mich bestand der Weg darin, zunächst zu verstehen, warum Gold einmal Geld war. Das hieß, die einzigartigen Eigenschaften zu verstehen, die etwas zu einer besseren oder schlechteren Form von Geld machten und was Geld als einzigartiges Wirtschaftsgut im Vergleich mit den meisten anderen Arten von Wirtschaftsgütern auszeichnete. Der Bitcoin-Standard war für mich bei der Erforschung dieser Fragen prägend – nicht als Evangelium, sondern eher als Grundlage, um über die Problemstellung nachzudenken. Erst als ich diese Erkenntnisse auf meine eigenen Lebenserfahrungen und mein eigenes Verständnis des bestehenden Finanzsystems und seiner Mängel anwandte, begann es intuitiv zu werden. Und das wiederum ist etwas, das für diejenigen, die jahrelang über das Konzept von Geld nachgedacht haben, offensichtlich sein mag (dass Bitcoin als Geld intuitiv ist), aber es ist auch wahr, dass Bitcoin nicht intuitiv ist. Es ist extrem un-intuitiv, bis es intuitiv wird und dann mit der Zeit hyper-intuitiv wird.

Als Teil meines Prozesses fand ich es hilfreich, Bitcoin im Verhältnis zu zwei greifbaren Orientierungspunkten zu betrachten: Gold und das Dollar-Finanzsystem. Hat A (Bitcoin) die gleichen Eigenschaften wie B (Gold bzw. der Dollar).  Ist A besser als B? Denn was etwas zu Geld macht, ist kein Absolutismus; es ist eine Entscheidung über die Speicherung von Wert in dem einem oder eben dem anderen Medium, was immer Kompromisse beinhaltet. Ohne die Schwächen des bestehenden Finanzsystems (Dollar, Euro, Yen, Bolivar, Peso usw.) zu verstehen, hätte ich niemals auf die Idee kommen können, dass Bitcoin Geld in einem Vakuum ist.

Als ich während der Finanzkrise bei der Deutschen Bank arbeitete, hatte ich keine Grundlage, um zu verstehen, was tatsächlich geschah. Erst zehn Jahre später, nachdem ich in der Restrukturierungs-Branche und bei einem Makro-Hedgefonds gearbeitet hatte, begann ich, ein klareres Verständnis dafür zu entwickeln, was 2008 und 2009 wirklich passiert war. Durch meine eigenen Nachforschungen über die große Finanzkrise, die Fed und insbesondere die Auswirkungen der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing – QE, siehe hier) kam ich zu dem Schluss, dass das Grundproblem darin bestand, dass das Finanzsystem im Verhältnis von etwa 150:1 gehebelt war (zu viele Schulden und zu wenige Dollar) und dass der irrsinnige Grad der Hebelwirkung nur durch die Politik der Fed möglich war, die in den drei Jahrzehnten vor der Krise einen systemweiten Schuldenabbau konsequent verhindert hatte. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Lösung (quantitative Lockerung) lediglich dazu führte, dass sich ein nicht tragfähiges Kreditsystem in den folgenden zehn Jahren ausbreitete, was künftige QE zu einer unvermeidlichen Notwendigkeit macht. Ich kam zu der Überzeugung, dass das bestehende Finanzsystem, egal ob Bitcoin nun überlebt oder nicht, gegen die Zeit arbeitet und dass auf die eine oder andere Weise etwas anderes als der Status quo der unvermeidliche Weg in die Zukunft sein wird.

“Es wurde deutlich, dass die Lösung (Mengenausweitung) lediglich dazu führte, dass sich ein nicht tragfähiges Kreditsystem in den folgenden 10 Jahren metastasierte, was künftige QE zu einer unvermeidlichen Notwendigkeit machte.”

Dann habe ich herausgefunden, dass Bitcoin eine beschränkte Menge hat. Ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie und warum das möglich ist, ist die Grundlage für das Verständnis von Bitcoin als Geld.  Dies erfordert erhebliche persönlichen Aufwand, um zu verstehen, wie wirtschaftliche Anreize mit der technischen Architektur von Bitcoin verwoben sind und warum Bitcoin nicht „gefälscht“ oder kopiert werden kann (oder besser gesagt: warum die Anreize zur Kooperation so stark sind und warum die Opportunitätskosten für Abweichungen zu hoch sind). Es ist ein langer Weg, der aber letztlich zu der Einsicht führt, dass ein globales Netzwerk rationaler Wirtschaftsakteure, die in einem freiwilligen Opt-in-Währungssystem agieren, nicht kollektiv und mit überwältigender Mehrheit einen Konsens zur Entwertung derjenigen Währung bilden würde, die sie alle unabhängig und freiwillig als Vermögensspeicher nutzen wollen. Diese Realität (oder dieses Glaubenssystem) untermauert und verstärkt dann die wirtschaftlichen Anreize, die technische Architektur und den Netzwerkeffekt von Bitcoin.

Es geht also nicht nur darum, dass der Softwarecode vorschreibt, dass es immer nur 21 Millionen Bitcoin geben wird; es geht darum zu verstehen, warum diese Geldpolitik glaubwürdig und belastbar ist – und wie Bitcoin eine nachweisbare Knappheit erreicht. Das kann nicht über Nacht für jeden Einzelnen geschehen. Man kann es niemandem auf einer Cocktailparty erklären. Es ist eine Realität, die sich im Laufe der Zeit nur dann verstärkt und festigt, wenn man die Anreizstruktur erlebt und sieht, dass sie immer wieder funktioniert, im Durchschnitt alle 10 Minuten. Wenn man es dann mit der Funktionsweise des Dollarsystems oder sogar mit den Grundlagen von Gold vergleicht, wird der Bitcoin als Geld intuitiver.

“Bitcoin existiert als Lösung für das Geldproblem, das globales QE darstellt.”

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man, wenn man versucht, Bitcoin als Geld zu verstehen, mit Gold, dem Dollar, der Fed, der quantitativen Lockerung und der Frage, warum die Bitcoin-Menge festgelegt ist, beginnen sollte. Geld ist nicht einfach eine kollektive Halluzination oder ein Glaubenssystem; es gibt einen Sinn und eine Logik dahinter. Bitcoin existiert als Lösung für das Geldproblem, das die globale Mengenausweitung mit sich bringt, und wenn Sie glauben, dass der Verfall lokaler Währungen in der Türkei, Argentinien oder Venezuela dem US-Dollar oder einer entwickelten Wirtschaft niemals passieren könnte, befinden wir uns lediglich an einem anderen Punkt auf derselben Kurve. Bitcoin steht für eine grundlegend andere Struktur und einen widerstandsfähigeren Weg in die Zukunft. Aber man muss zuerst verstehen, wo wir herkommen und wie wir hierher gekommen sind, um zu wissen, wohin wir gehen werden.

Hayek beschreibt den Preismechanismus als das beste Verteilungssystem von Wissen in der Welt (Die Anwendung von Wissen in der Gesellschaft). Wenn die Geldmenge manipuliert wird, verzerrt dies die globalen Preisbildungsmechanismen, die dann „manipulierte“ Informationen im gesamten Wirtschaftssystem weitergeben. 

Wenn diese Manipulation über einen Zeitraum von 30-40 Jahren aufrechterhalten wird, kommt es zu massiven Ungleichgewichten in der zugrundeliegenden Wirtschaftstätigkeit – und genau dort befinden wir uns heute. Letztendlich war der Dollar das Ende von Gold, und das Ende des Dollars ist die wirtschaftliche Verzerrung, die zu QE geführt hat und die durch QE weiter verschlimmert wurde. Das Versprechen von Bitcoin ist eine Lösung für beides. Da das Bitcoin-Angebot fix ist und nicht manipuliert werden kann, wird es schließlich zum zuverlässigsten Preisbildungsmechanismus der Welt und folglich zum größten Verteilungssystem von Wissen werden. Die heute zu beobachtende Volatilität ist nichts anderes als der logische Weg zur Preisfindung während der exponentiell zunehmenden Akzeptanz von Bitcoin bzw. während wir uns dem Zustand seiner vollständigen Akzeptanz annähern.

„Etablierte Ökonomen machen sich über die Tatsache lustig, dass Bitcoin volatil ist, als ob etwas, das nicht existiert, über Nacht zu einer stabilen Form von Geld werden könnte – das ist völlig absurd.“

Vijay Boyapati bei SLP

Dies ist ein Gastbeitrag von Parker Lewis von Unchained Capital. Die geäußerten Meinungen sind ausschließlich seine eigenen und spiegeln nicht notwendigerweise die von Aprycot Media wider.

Die anderen Artikel dieser Serie findest du in unserer Mediathek unter Gradually, Then Suddenly.

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