Bitcoin ist die große Entfinanzialisierung

Aus dem Original “Bitcoin is the Great Definancialization” von Parker Lewis, erschienen am 23. Dezember 2020 in der Serie Gradually, Then Suddenly von Unchained Capital. Übersetzt von stfano, Lektorat durch Juniormind.

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Hat Ihnen jemals ein Finanzberater (oder vielleicht sogar ein Elternteil) gesagt, dass Sie Ihr Geld für sich arbeiten lassen müssen? Diese Ansicht hat sich in den Köpfen hart arbeitender Menschen auf der ganzen Welt so fest verankert, dass sie mit dem eigentlichen Begriff der „Arbeit“ praktisch eins geworden ist.

Der Satz wurde so oft wiederholt, dass er heute de facto Teil der Arbeitskultur ist. Nehmen Sie eine Festanstellung an, schöpfen Sie Ihre Arbeitnehmer-Sparzulage voll aus (vielleicht gibt Ihr Arbeitgeber 3 % dazu!), wählen Sie ein paar Investmentfonds mit einprägsamen Namen und sehen Sie zu, wie Ihr Geld sich vermehrt. Die meisten Menschen entscheiden sich zwei Mal im Monat wie selbstverständlich für diesen Weg, ohne ihn zu hinterfragen oder sich der Risiken bewusst zu sein. „Schlaue Menschen“ machen das einfach. Viele nennen das “Geld ansparen”, aber in Wirklichkeit hat die Bedeutungssteigerung der Finanzinstrumente, das heißt die Finanzialisierung, aus der Altersvorsorge ein ständiges Risiko gemacht, so dass das Investieren für viele, wenn nicht sogar für die meisten, zu einem zweiten Vollzeitjob geworden ist.

Die Finanzialisierung hat sich so sehr normalisiert, dass die Grenzen zwischen Sparen (kein Risiko eingehen) und Investieren (Risiko eingehen) so sehr verwischt sind, dass die meisten Menschen die beiden Aktivitäten als ein und dasselbe betrachten. Der Glaube, dass nur Investitions- und Finanzierungskonzepte zu einem glücklichen Ruhestand führen, mag dem gesunden Menschenverstand widersprechen, ist aber die gängige Meinung.

Oder brauchen Sie vielleicht einfach eine bessere Form des Geldes™?

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die Volkswirtschaften überall, vor allem aber in den Industrieländern (und insbesondere in den Vereinigten Staaten), immer stärker finanzialisiert. Die zunehmende Finanzialisierung ist zum notwendigen Begleiter der Idee geworden, dass man sein Geld für sich arbeiten lassen muss. Aber die Idee selbst – dass „man sein Geld für sich arbeiten lassen muss“ – ist erst dann wirklich im Bewusstsein der breiten Masse angekommen, als jeder in ähnlicher Weise auf die bedauerliche Realität konditioniert wurde, dass Geld mit der Zeit seinen Wert verliert.

Geld verliert an Wert → Notwendigkeit, Geld für sich arbeiten zu lassen → Notwendigkeit von Finanzprodukten, um Geld für sich arbeiten zu lassen → und wieder von vorn

Die Notwendigkeit, das Geld für sich arbeiten zu lassen, wurde weitgehend erst dadurch verursacht, dass das Geld allmählich an Wert verliert; das ist der Ausgangspunkt – und das Bedauerlichste daran ist, dass die Zentralbanken das mit Absicht machen. Die meisten Zentralbanken weltweit streben eine Abwertung ihrer Landeswährungen um etwa 2 % pro Jahr an und erreichen das, indem sie die Geldmenge ausweiten. Wie oder warum ist weniger wichtig; es wird so gemacht und das hat Konsequenzen. Anstatt einfach für schlechte Zeiten zu sparen, wird die Altersvorsorge investiert und einem ständigen Risiko ausgesetzt, oft nur, um mit der von den Zentralbanken erzeugten Inflation mitzuhalten.

Die Zentralbanken werten das Geld ab und kurbeln damit auf perverse Weise die Nachfrage nach derartigen Investitionen an. Die Geldinflation führt dann zu einer übermäßig finanzialisierten Wirtschaft, die ständige Risikobereitschaft verlangt und gleichzeitig Anreize zum Sparen nimmt. Ein System ist weder leistungs- noch zukunftsfähig, wenn es die Menschen vom Sparen abhält und ins Risiko zwingt, sondern es wird krisenanfällig. Es sollte selbst für das ungeübte Auge offensichtlich sein, dass im weiteren Sinne die fehlenden Anreize des Geldmediums, das allen wirtschaftlichen Aktivitäten zugrunde liegt, den Trend zur Finanzialisierung und zu komplexen Finanzkonstruktionen antreibt.
An Aktiengesellschaften, Anleiheemissionen oder anderen gebündelten Anlageformen ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Obwohl einzelne Anlageinstrumente strukturell voller Fehler sein mögen, können durch gebündelte Anlageinstrumente und Kapitalallokation tatsächlich Werte geschaffen werden (und werden es oft auch). Das gebündelte Risiko ist dabei genauso unproblematisch wie die Existenz von Finanzanlagen. Das grundlegende Problem ist vielmehr das Ausmaß der Finanzialisierung der Wirtschaft – und das wird zunehmend und unfreiwillig durch die sonst so rationalen Reaktionen auf eine kaputte und manipulierte Geldstruktur beeinflusst.

Das Hamsterrad des Dollars

Was passiert, wenn Hunderte von Millionen Marktteilnehmern begreifen, dass ihr Geld künstlich oder sogar absichtlich so gestaltet ist, dass es jedes Jahr 2 % seines Wertes verliert? Sie müssen entweder die unvermeidliche Entwertung akzeptieren oder versuchen, mit der Inflation mitzuhalten, indem sie zusätzliche Risiken eingehen. Und was bedeutet das? Geld muss investiert, das heißt ein Verlustrisiko eingegangen werden. Da die Geldentwertung nie nachlässt, bleibt dieser Kreislauf bestehen. Im Grunde genommen gehen die Menschen schon durch ihre „normale“ Arbeit Risiken ein und dann wird ihnen noch antrainiert, das Geld, das sie überhaupt sparen können, auf’s Spiel zu setzen, nur um mit der Inflation mitzuhalten – wenigstens das. Genauso funktioniert ein Hamsterrad. Man muss sich verausgaben und bleibt doch an der gleichen Stelle. Das hört sich verrückt an, ist aber die Realität. Und es ist nicht ohne Folgen.

Rücklagen vs. Risiken

Die oft falsch verstandene Beziehung zwischen Rücklagen und Risiken besteht darin, dass jeder Einzelne Risiken eingehen muss, um überhaupt erst Rücklagen aufbauen zu können. Das Risiko besteht darin, Zeit und Energie in etwas zu stecken, das von anderen Menschen derartig wertgeschätzt wird (und auch weiterhin wertgeschätzt werden muss), dass sie dafür bezahlen (und auch weiterhin dafür bezahlen). Von der schulischen und beruflichen Ausbildung bis hin zur Perfektionierung eines von anderen wertgeschätzten Handwerks.

Das bedeutet “Risiko tragen”. Man investiert Zeit und Energie in den Versuch, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und Werte für andere zu schaffen, nimmt dabei aber auch stillschweigend eine sehr unsichere Zukunft in Kauf. Wenn es gut geht, dann wird am Ende etwas geschaffen, was andere zu schätzen wissen, sei es ein Klassenzimmer voller Schüler, ein Produkt in einem Regal, eine Weltklasseleistung oder ein ganzer Tag harter körperlicher Arbeit. Das Risiko wird vorab in der hoffnungsvollen Erwartung eingegangen, dass man von jemand anderem für die aufgewendete Zeit und den erbrachten Wert entschädigt wird.

Die Entschädigung erfolgt in der Regel in Form von Geld, denn Geld als Wirtschaftsgut ermöglicht es dem Einzelnen, die eigenen Werte gegen ein umfangreiches Angebot von Werten, die von anderen Menschen geschaffen wurden, zu tauschen. In einer Welt, in der Geld nicht manipuliert wird, würden sich finanzielle Rücklagen am besten als die Differenz zwischen den für andere produzierten und die von anderen verbrauchten Werten beschreiben lassen. Die Spareinlagen sind lediglich gestundete Investitionen oder aufgeschobener Konsum; oder anders gesagt, sie sind der Überschuss dessen, was man produziert, aber noch nicht konsumiert hat. Das ist jedoch nicht die Welt, die heute existiert. Beim modernen Geld gibt es einen Haken.

Die Zentralbanken erschaffen immer mehr Geld, wodurch die Rücklagen kontinuierlich entwertet werden. Die gesamte Anreizstruktur des Geldes wird manipuliert und alle jemals geschaffenen und verbrauchten Werte verfälscht. Wert, den man heute schafft, wird in Zukunft Kaufkraft einbüßen, weil die Zentralbanken willkürlich mehr Währungseinheiten bereitstellen. Geld ist dazu gedacht, Wert zu speichern und nicht zu verlieren, doch durch die Geldwirtschaft der Zentralbanken wird jeder unwissentlich dazu gedrängt, Risiken einzugehen, um die Wertminderung der Rücklagen zu kompensieren. Die Marktteilnehmer der Realwirtschaft werden durch die unendliche Entwertung der Ersparnisse gezwungen, unerwünschte und ungerechtfertigte Risiken einzugehen. Und anstatt einfach von bereits getragenen Risiken zu profitieren, muss jeder immer weiter Risiken eingehen.

Pierre Rochard & Nic Carter diskutieren auf Bitcoin Twitter über Sparen vs. Investieren

Wenn praktisch alle Individuen innerhalb eines Wirtschaftssystems zur Risikobereitschaft gezwungen werden, führt das weder zu einer funktionierenden Wirtschaft noch ist es dafür erforderlich. Im Gegenteil, es destabilisiert das gesamte System. Für die Wirtschaft ist die Risikobereitschaft an sich nützlich, notwendig und unvermeidlich. Problematisch wird es vor allem dann, wenn Privatpersonen zu Risiken gezwungen werden, weil die Zentralbanken Geld herstellen, das an Wert verliert, ganz unabhängig davon, ob sich die Risikoträger darüber bewusst sind oder nicht. Das Eingehen von Risiken ist produktiv, wenn es bewusst und freiwillig erfolgt und dem Ziel der Kapitalakkumulation dient. Die Unterscheidung zwischen produktiven Investitionen und solchen, die durch die Geldinflation hervorgerufen werden, ist zwar schon an sich schwierig, aber man erkennt sie, wenn man hinschaut. Produktive Investitionen entstehen auf natürliche Weise, wenn Marktteilnehmer daran arbeiten, ihr eigenes Leben und das ihrer Mitmenschen zu verbessern. Die Anreize, auf einem freien Markt Risiken einzugehen, sind bereits vorhanden. Doch durch das Eingreifen der Zentralbank ist nichts gewonnen, es gibt nur jede Menge Verlierer.

Die Risikobereitschaft wird kontraproduktiv, wenn sie eher dem Zwang als dem freien Willen entspringt. Das sollte naheliegend sein, aber genau das passiert, wenn Investitionen nur aufgrund der Geldentwertung eingegangen werden. Dabei muss man verstehen, dass 100% aller zukünftigen Investitionen (und des Konsums) aus den Ersparnissen stammen. Die Manipulation der finanziellen Anreize, insbesondere die Abschreckungsmaßnahmen gegen das Sparen, dient lediglich dazu, den Zeitpunkt und die Bedingungen für künftige Investitionen zu verschieben. Es zwingt die Sparer überall zum Handeln und zündet unnötigerweise die bereits gekürzte Zündschnur aller finanziellen Rücklagen. Es führt unweigerlich zum Spiel mit der heißen Kartoffel, bei dem niemand sein Geld behalten will, weil es an Wert verliert, obwohl das Gegenteil der Fall sein sollte. Was glauben Sie, welche Art von Investitionen diese Welt hervorbringt? Die dahinschmelzende Zentralbankwährung hätte lieber einen echten Anreiz zum Sparen bieten sollen, anstatt einen Kreislauf ständiger Risikobereitschaft auszulösen, bei dem der Großteil aller Ersparnisse fast sofort wieder in riskante Finanzanlagen investiert wird, entweder direkt durch eine Einzelperson oder indirekt durch eine kontoführende Bank. Und es wird durch die  Tatsache verschlimmert, dass die beiden Vorgänge inzwischen so sehr verwechselt und vermischt werden, dass die meisten Menschen Investitionen, insbesondere in Finanzanlagen, als Rücklagen betrachten.
Es steht außer Frage, dass Investieren (in Finanzanlagen oder anderweitig) nicht dasselbe wie Sparen ist, und es ist absolut nicht normal, dass die Zentralbanken Risikobereitschaft beschwören und das Sparen unattraktiv machen.  Jeder mit gesundem Menschenverstand und praktischer Erfahrung versteht das. Trotzdem ändert es nichts an der Tatsache, dass Geld jedes Jahr an Wert verliert (denn das tut es), und ist man sich dessen bewusst, verhält man sich dementsprechend. Jeder wurde gezwungen, ein künstlich erzeugtes Dilemma in Kauf zu nehmen. Die Vorstellung, dass man sein Geld für sich arbeiten lassen muss, ist eine der größten Lügen, die je erzählt wurde. Daran stimmt überhaupt nichts. Die Zentralbanken haben dieses verlogene Dilemma geschaffen. Es war der größte Trick, den Zentralbanken je abgezogen haben, die Welt davon zu überzeugen, dass der Einzelne ständig Risiken eingehen muss, nur um den Wert zu erhalten, der bereits geschaffen (und gespart) wurde. Das ist verrückt. Und die einzig brauchbare Lösung besteht darin, eine bessere Form des Geldes zu finden, die die Unausgewogenheit dieser systemtypischen Währungsabwertung beseitigt. Genau das ist Bitcoin. Eine bessere Form des Geldes, die jedem einen zuverlässigen Weg bietet, dem Hamsterrad zu entkommen.

Die Große Finanzialisierung

Alle Volkswirtschaften wurden gezwungen, sich einer Welt anzupassen, in der das Geld kontinuierlich seinen Wert verliert, ganz egal, ob man das Spiel für manipuliert hält oder diese Realität einfach hinnimmt. Es gibt immer unbeabsichtigte Folgen, wenn wirtschaftliche Anreize durch exogene Kräfte manipuliert werden, auch wenn sie dadurch Investitionen fördern und das Wachstum der „Gesamtnachfrage“ ankurbeln wollen. Selbst der größte Zyniker wünscht sich wahrscheinlich, dass die Probleme der Welt durch das Drucken von Geld gelöst werden könnten, aber nur Kinder glauben an Märchen. Anstatt Geld zu drucken und die Probleme auf magische Weise verschwinden zu lassen, wurde das sprichwörtliche Fass immer wieder zum Überlaufen gebracht. Die Volkswirtschaften wurden durch die Geldschöpfung strukturell und dauerhaft verändert.

Die US-Notenbank dachte vielleicht, sie könne mit dem Drucken von Geld produktive Investitionen anregen, aber sie erzeugte damit tatsächlich Fehlinvestitionen und eine Wirtschaft, die viel zu viel auf Finanzinstrumente konzentriert, das heißt überfinanzialisiert war. Durch die Geldentwertung und der damit einhergehenden Manipulation der Kreditkosten wurden die Volkswirtschaften zunehmend finanzialisiert. Man müsste schon blind sein, um den Zusammenhang nicht zu erkennen: die unumgängliche Ursache und Wirkung zwischen Geld, dessen Wertverlust eingebaut ist, einem fehlenden Anreiz, Geld zu halten, und der schnellen Ausbreitung von Finanzanlagen, auch innerhalb des Kreditsystems.

Das Bankwesen und die Vermögensverwaltungsbranche haben genau durch diese Vorgänge Metastasen gebildet. Es ist wie bei einem Drogendealer, der seinen eigenen Markt schafft, indem er den ersten Schuss umsonst abgibt. Die Dealer schaffen ihre eigene Nachfrage, indem sie den Süchtigen abhängig machen. Genau das macht die US-Notenbank bei der Finanzialisierung der entwickelten Weltwirtschaft durch die Geldinflation. Die Herstellung von Geld, was gerade durch die Herstellung an Wert verliert, bringt Märkte für Finanzprodukte hervor, die sonst nicht entstehen würden. So sind Produkte entstanden, die den Menschen helfen sollen, sich finanziell aus dem von der US-Notenbank geschaffenen Loch zu befreien. Es zeigt sich ein Bedarf, Risiken einzugehen und zu versuchen, Renditen zu erwirtschaften, um das zu ersetzen, was durch die Geldinflation verloren gegangen ist.

Quelle: Statistica
Quelle: Statistica

Der Finanzsektor hat im Laufe der Zeit einen immer größeren Anteil an der Wirtschaft eingenommen, weil es in einer Welt, in der das Geld kontinuierlich an Wert verliert, eine größere Nachfrage nach Finanzdienstleistungen gibt. Aktien, Unternehmensanleihen, Staatsanleihen, Investmentfonds, börsengehandelte Aktienfonds, börsengehandelte Anleihenfonds, gehebelte börsengehandelte Fonds, dreifach gehebelte börsengehandelte Fonds, Bruchteilsaktien, hypothekenbesicherte Wertpapiere, CDOs, CLOs, CDS, CDX, synthetische CDS/CDX usw. All diese Produkte stehen für die Finanzialisierung der Wirtschaft und sie gewinnen an Bedeutung (und werden stärker nachgefragt), wenn die Funktion der Währung defekt ist.

Jede zusätzliche Verlagerung zu Risiko-Bündelung, -Verpackung und -Neuverpackung kann auf die kaputte Anreizstruktur zurückgeführt werden und wird durch das Geld, das einer Wirtschaft zugrunde liegt, und dem erzeugten Bedürfnis, das Geld für sich arbeiten zu lassen, zum Vorschein gebracht. Auch hier soll nicht gesagt werden, dass bestimmte Finanzprodukte oder -strukturen keinen Wert schaffen; das Problem besteht vielmehr darin, dass das Ausmaß, in dem Finanzprodukte genutzt und Risiken von Risiken überlagert werden, größtenteils durch die absichtlich zerstörte Anreizstruktur der Währung verursacht wird.

Während die überwiegende Mehrheit aller Marktteilnehmer durch die Normalisierung des Inflationsziels der US-Notenbank von 2 % pro Jahr in den Schlaf gewiegt wurde, sollte man sich die Folgen dieser Politik über ein oder zwei Jahrzehnte hinweg vor Augen führen. Sie bedeutet einen Verlust von 20 % bzw. 35 % der finanziellen Ersparnisse über 10 bzw. 20 Jahre. Was würden Sie erwarten, wenn alle Menschen in der Gesellschaft 20 bis 35 % ihrer Ersparnisse neu bilden oder ersetzen müssten, nur um den Wert zu erhalten?
Massive Fehlinvestitionen sind die Folge, das heißt Investitionen, die nicht getätigt worden wären, wenn die Menschen nicht gezwungen worden wären, unvernünftige Risiken einzugehen, nur um den erwarteten künftigen Verlust der derzeitigen Ersparnisse zu kompensieren. Im Einzelfall wird der Arzt, die Krankenschwester, der Ingenieur, der Lehrer, der Metzger, der Lebensmittelhändler, der Bauunternehmer usw.,  zum Finanzinvestor und steckt gutgläubig den Großteil seiner Ersparnisse in Finanzprodukte der Wall Street, ohne zu wissen, dass diese mit Risiken behaftet sind. Es heißt: Im Laufe der Zeit können Aktien nur noch steigen, Immobilien nur noch steigen und Zinsen nur noch sinken.

Fürs Protokoll: Der Autor ist ein Fan von Dave Portnoy.

Wie oder warum ist den Davey-Day-Tradern dieser Welt ein Rätsel und es spielt auch keine Rolle, denn so wird die Welt einfach wahrgenommen und jeder handelt dementsprechend. Sie rechnen damit, dass alles böse enden wird, aber das Verhalten der meisten Menschen wird durch ihren Glauben bestimmt, dass Investitionen in Finanzanlagen einfach ein besserer (und notwendiger) Weg zum Sparen sind. Ein „diversifiziertes Portfolio” ist so sehr zum Synonym für das Sparen geworden, dass es weder als risikobehaftet noch als risikofreudig wahrgenommen wird. Die Wahrheit ist jedoch, dass man die Wahl hat, entweder durch Investitionen ein Risiko einzugehen oder die Ersparnisse in einem Geldmedium zu belassen, das in Zukunft immer mehr an Kaufkraft verliert. Im Bezug auf das Sparen an sich ist es egal, was man tut, man zieht immer den kürzeren. Es ist ein nervenaufreibendes Spiel, das jeder entweder mitspielen oder aussitzen muss, verlieren wird man in jedem Fall.

Die Folgen des fehlenden Sparanreizes

Indem jeder gezwungen wird, in einer Welt zu leben, in der Geld an Wert verliert, entsteht eine sich negativ verstärkende Rückkopplungsschleife; die Beseitigung der Möglichkeit, mit dem Sparen von Geld ausreichend vorzusorgen, hat insgesamt viel schlimmere Auswirkungen. Wenn das Geld darauf angelegt ist, seinen Wert zu verlieren, ist das bloße Halten von Geld kein vernünftiges Risiko. Die Menschen tun es dennoch, aber es ist von vornherein ein Verlustgeschäft. Dasselbe gilt für die ständige Risikobereitschaft als erzwungener Ersatz für das Sparen. Tatsächlich werden alle verlieren, wenn man durch Sparen nicht gewinnen kann. Erinnern wir uns daran, dass jeder, der Geld hat, bereits ein Risiko eingegangen ist, um es überhaupt zu bekommen. Ein positiver Anreiz zum Sparen (und nicht zum Investieren) ist nicht dasselbe wie eine Belohnung für die Risikovermeidung – ganz im Gegenteil. Er belohnt Menschen, die bereits ein Risiko eingegangen sind, mit der Möglichkeit, Geld zu halten, nur ohne die Garantie , dass die Kaufkraft in Zukunft abnimmt.

Auf einem freien Markt kann der Wert des Geldes über einen bestimmten Zeitraum steigen oder sinken, aber die Garantie, dass das Geld an Wert verliert, führt zu dem verheerenden Ergebnis, dass der Mehrheit der Wirtschaftsteilnehmer wirkliche Rücklagen fehlen. Da Geld seinen Wert verliert, wird oft angenommen, dass diese Opportunitätskosten eh nur einen Nutzen haben. Die Menschen sollen ihr Geld jetzt ausgeben, denn morgen wird es weniger wert sein. Allein der Gedanke, Bargeld behalten zu wollen (früher als Sparen bezeichnet), wird in etablierten Finanzkreisen als nahezu verrückt angesehen, da jeder weiß, dass Geld seinen Wert verliert. Wie verrückt ist das? Geld ist zwar als Wertspeicher gedacht, aber niemand will es behalten, weil die heute vorherrschenden Währungen das Gegenteil bewirken. Jeder investiert es einfach, anstatt nach einer besseren Form des Geldes zu suchen!

„Ich bin immer noch der Meinung, dass Bargeld im Vergleich zu anderen Alternativen Schrott ist, insbesondere zu solchen, die ihren Wert behalten oder in reflationären Zeiten an Wert gewinnen.”

Ray Dalio (April 2020)

Selbst die angesehensten Wall Street-Investoren sind empfänglich für diesen Wahnsinn und können sich zum Kasper machen. Der Inflation zuliebe Risiken einzugehen ist nicht besser als Lotterielose zu kaufen, aber das ist das Resultat der Abschreckungsmaßnahmen gegen das Sparen. Wenn die finanziellen Anreize wegfallen, sind die wirtschaftlichen Opportunitätskosten schwerer zu messen und zu bewerten. Heute gelten Investitionsentscheidungen als vernünftig, weil die Anreize defekt sind. Die Entscheidungen werden getroffen und Finanzanlagen werden oft nur in der Erwartung gekauft, dass der Dollar an Wert verliert. Die Auswirkung geht jedoch weit über die Ersparnisse und die Investitionen hinaus. Wenn das Geld nicht den ihm zugedachten Zweck des Wertspeichers erfüllt, wird jede wirtschaftliche Entscheidung beeinträchtigt.

Alle Entscheidungen über Ausgeben oder Ansparen, einschließlich des täglichen Konsums, werden durch einen dauerhaften Wertverlust des Geldes negativ vorbelastet. Durch die Wiedereinführung expliziter Opportunitätskosten beim Geldausgeben (d. h. eines Anreizes zum Sparen) ändert sich zwangsläufig das Risikokalkül eines jeden. Jede Kaufentscheidung wird reflektierter, wenn das Geld seine eigentliche Funktion als Wertspeicher erfüllt. Wenn ein monetäres Medium glaubhaft seinen Wert zumindest beibehält, wenn nicht sogar steigert, wird durch die besser abgestimmte Anreizstruktur jede Entscheidung, Geld auszugeben oder zu sparen, zielgerichteter und letztlich sorgfältiger begründet sein.

„Es ist einer der größten Fehler, Richtlinien und Programme nach ihren Absichten und nicht nach ihren Ergebnissen zu beurteilen.”

Milton Friedman

Keynesianische Ökonomen fürchten diese Welt, weil sie glauben, dass keine Investitionen getätigt werden, wenn ein Anreiz zum Sparen existiert. Die fehlerhafte Theorie besagt, dass die Menschen niemals Geld ausgeben werden, wenn sie eine Motivation zum „Geldhorten“ haben, und dass dadurch die als „notwendig“ geltenden Investitionen nicht getätigt werden. Wenn niemand Geld ausgibt und keine risikofreudigen Investitionen getätigt werden, wird die Arbeitslosigkeit steigen! Das ist wirklich eine Wirtschaftstheorie, die in den Klassenzimmern gelehrt wird; und obwohl es dem Glauben der Keynesianer widerspricht, werden in einer Welt, in der man zum Sparen motiviert wird, Risiken eingegangen.

Und nicht nur das: Die Qualität der Investitionen wird sogar besser sein, da sowohl der Konsum als auch die Investitionen von unverzerrten Preissignalen profitieren und die Opportunitätskosten auf einem freien Markt klarer bepreist werden. Wenn sämtliche Entscheidungen über die Ausgaben mit einer in Zukunft potenziell höheren Kaufkraft (und nicht einer geringeren) abgewogen werden, werden Investitionen in die produktivsten Tätigkeiten gesteckt und tägliche Konsumgüter mit größerer Sorgfalt ausgesiebt.

Umgekehrt kommt es zu einer Finanzialisierung, wenn Investitionsentscheidungen stark davon beeinflusst werden, dass man keine Dollars halten will. Wenn man aufgrund der Erwartung, dass das Geld seinen Wert verliert anstatt wertvoller zu werden, die Priorität auf den Konsum legt, dann werden gleichermaßen Investitionen getätigt, um dieser verschobenen Priorisierung gerecht zu werden. Letztendlich sind die kurzfristigen Anreize besser als die langfristigen; die Wirtschaft stagniert, wenn etablierte Marktteilnehmern gegenüber den neuen bevorzugt werden, was keine produktiven Investitionen, sondern zunehmend die Finanzialisierung, die Zentralisierung und Finanzinstrumente und Finanzierungskonzepte fördert. Es geht um Ursache und Wirkung; um das vorsätzliche Verhalten mit nicht vorgesehenen, aber vorhersehbaren Folgen.

Wenn man dafür sorgt, dass Geld seinen Wert verliert, werden die Leute Dummheiten machen, weil die Dummheiten als vernünftig gelten oder man sogar dazu ermutigt wird. Menschen, die sonst sparen würden, sind gezwungen, zusätzliche Risiken einzugehen, weil ihre Ersparnisse an Wert verlieren. In dieser Welt werden die Ersparnisse finanzialisiert. Und wenn man das Sparen unattraktiv macht, darf man sich nicht wundern, wenn man in einer Welt aufwacht, in der nur sehr wenige Menschen über Rücklagen verfügen. Genau das zeigen die empirischen Belege, und so sehr es einen unkündbar angestellten Wirtschaftsprofessor auch verblüffen mag, der Mangel an Rücklagen, der durch den fehlenden Anreiz zum Sparen verursacht wird, ist eine sehr vorhersehbare Hauptursache für die typische Anfälligkeit des alten Finanzsystems.

Das Paradoxon der festen Geldmenge

Der Mangel an Rücklagen und die wirtschaftliche Instabilität sind auf die fehlenden Anreize der zugrundeliegenden Währung zurückzuführen, und dies ist das Hauptproblem, das Bitcoin behebt. Indem die Möglichkeit der Geldentwertung beseitigt wurde, werden die einst beschädigten Anreize wieder hergestellt; es wird immer nur 21 Millionen geben, und das allein ist schon stark genug, um den Trend der Finanzialisierung umzukehren. Obwohl jeder Bitcoin in 100 Millionen Einheiten (oder bis zu 8 Dezimalstellen) teilbar ist, wird es insgesamt nur 21 Millionen Bitcoin geben. Wenn mehr und mehr Menschen Bitcoin als Geldstandard annehmen, kann er in immer kleinere Einheiten unterteilt werden, aber niemand kann willkürlich mehr Bitcoin erschaffen. Wenn einmal alle 21 Millionen Bitcoin im Umlauf sind, dann können technisch gesehen nicht mehr als 21 Millionen Bitcoin angespart werden, aber mit der Konsequenz, dass immer 100 % aller Bitcoin als Rücklage aufbewahrt werden – von jemandem zu einem bestimmten Zeitpunkt. Bitcoin (einschließlich Bruchteile davon) werden von Person zu Person oder Unternehmen zu Unternehmen übertragen, aber das Gesamtangebot ist statisch (und vollkommen unelastisch).
Durch die Schaffung einer Welt, in der es eine feste Geldmenge gibt, so dass insgesamt nicht mehr und nicht weniger aufbewahrt bzw. gespart werden kann, steigen der Anreiz und die Neigung zum Sparen auf individueller Ebene messbar an. Es ist ein Paradoxon: Wenn insgesamt nicht mehr Geld gespart werden kann, werden mehr Menschen individuell für sich selbst sparen. Eine einfache Erklärung dafür könnte sein, dass Menschen Knappheit zu schätzen wissen. In Wirklichkeit ist es aber der Anreiz zum Sparen, der die Sparer hervorbringt, auch wenn insgesamt nicht mehr Geld gespart werden kann. Und damit jemand Rücklagen aufbauen kann, muss jemand anderes die vorhandenen Ersparnisse ausgeben. Im Grunde stammen die Mittel für sämtliche Konsum- und Investitionsausgaben aus Rücklagen: Der Anreiz zum Sparen erschafft Sparer und die Existenz von mehr Sparern erschafft wiederum mehr Menschen mit Mitteln zum Konsumieren und Investieren. Im Einzelfall bedeutet das, dass bei einem erwarteten Anstieg der Kaufkraft einer Geldeinheit der Konsum oder die Investition vernünftigerweise in die Zukunft verschoben wird (das Schlüsselwort ist „verschoben“). Das bedeutet, dass der Anreiz zum Sparen die Sparer erschafft. Dadurch wird weder der Konsum noch die Investition unterbunden; es wird lediglich sichergestellt, dass die Entscheidung mit größerer Sorgfalt getroffen wird, wenn die künftige Kaufkraft voraussichtlich steigt und nicht sinkt. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn jeder Einzelne gleichzeitig mit dieser Motivation handelt, und vergleichen Sie das mit der heutigen, entgegengesetzten Situation.

Die Keynesianer befürchten, dass eine sich aufwertende Währung abschreckend auf Konsum und Investitionen wirkt, dadurch Rücklagen begünstigt werden und die Wirtschaft insgesamt Schaden davon trägt, doch der freie Markt funktioniert in der Praxis tatsächlich besser als im Konstrukt der mangelhaften keynesianischen Theorie. In der Praxis wird eine sich aufwertende Währung täglich verwendet, um Konsum und Investitionen zu erleichtern, gerade weil es einen Anreiz zum Sparen gibt und nicht trotz dieser Tatsache. Die hohe gegenwärtige Nachfrage nach Konsum und Investitionen wird durch die positive Zeitpräferenz und dem vorhandenen, ausdrücklichen Anreiz zum Sparen bestimmt: Jeder versucht ständig, das Geld von allen anderen zu verdienen, und jeder muss täglich reale Güter konsumieren.

Das Konzept der Zeitpräferenz wird in Der Bitcoin-Standard von Saifedean Ammous ausführlich beschrieben. Das Buch muss man gelesen haben, ihm kann keine Zusammenfassung gerecht werden. Laut Ammous können Individuen eine niedrigere Zeitpräferenz (Gewichtung der Zukunft über die Gegenwart) oder eine höhere Zeitpräferenz (Gewichtung der Gegenwart über die Zukunft) besitzen, aber jeder hat eine positive Zeitpräferenz. Geld als Instrument ist lediglich ein Mittel zur Koordinierung der wirtschaftlichen Aktivitäten, die notwendig sind, um die Dinge zu produzieren, die die Menschen in ihrem täglichen Leben tatsächlich wertschätzen und konsumieren. In Anbetracht der Tatsache, dass Zeit von Natur aus knapp und die Zukunft ungewiss ist, neigen selbst diejenigen, die für die Zukunft planen und sparen (geringe Zeitpräferenz), dazu, die Gegenwart gegenüber der Zukunft geringfügig aufzuwerten. Um es einmal klar zu verdeutlichen: Es würde Ihnen nichts nützen, wenn Sie Geld verdienen, aber buchstäblich nie einen Cent (oder einen Sat) ausgeben. Selbst wenn der Wert des Geldes im Laufe der Zeit zunehmen würde, wird der Konsum oder die Investition in der Gegenwart aufgrund der positiven Zeitpräferenz und des Vorhandenseins täglicher Konsumbedürfnisse, die zum Überleben befriedigt werden müssen (wenn nicht gar zum Vergnügen), im Durchschnitt gegenüber der Zukunft bevorzugt. 

7 Milliarden Menschen im Wettbewerb + nur 21 Millionen Bitcoin = Wertsteigerung der Gegenwart + konstante Ausgaben

Stellen Sie sich nun vor, dass dieses Prinzip für alle gleichzeitig gilt, und zwar in einer Bitcoin-Welt mit einer festen Geldmenge. Mehr als 7 Milliarden Menschen und nur 21 Millionen Bitcoin. Jeder hat einen Anreiz zum Sparen, weil es eine endliche Geldmenge gibt, und jeder hat eine positive Zeitpräferenz sowie einen täglichen Konsumbedarf. In dieser Welt gäbe es einen erbitterten Wettbewerb um das Geld. Jeder Einzelne müsste etwas hinreichend Wertvolles produzieren, um einen anderen dazu zu bewegen, sein hart verdientes Geld herzugeben, aber er oder sie hätte einen Anreiz, dies zu tun, weil die Rollen dann vertauscht wären. Das ist die vertragliche Grundlage, die Bitcoin anbietet.

Der Anreiz zum Sparen ist vorhanden, aber die Existenz von Rücklagen setzt notwendigerweise voraus, dass man etwas von Wert produziert, das von anderen nachgefragt wird. Wenn man zunächst erfolglos ist, versucht man es immer und immer wieder. Die Interessen und Anreize zwischen denjenigen, die die Währung besitzen, und denjenigen, die Waren und Dienstleistungen anbieten, sind perfekt miteinander in Einklang gebracht, insbesondere weil die Positionen bei jedem Handel wechseln. Paradoxerweise würde in einer Welt, in der technisch gesehen nicht mehr Geld gespart werden könnte als vorhanden ist, für jeden ein Anreiz bestehen, „mehr zu sparen“. Im Laufe der Zeit würde jede Person im Durchschnitt immer weniger von der Währung halten, aber jede einzelne Einheit würde im Laufe der Zeit immer mehr Kaufkraft aufweisen (statt weniger). Die Möglichkeit, Konsum oder Investitionen aufzuschieben und dafür belohnt zu werden (oder einfach mal nicht bestraft zu werden), ist der Dreh- und Angelpunkt, der alle wirtschaftlichen Anreize aufeinander abstimmt.

Bitcoin und die Große Entfinanzialisierung

Der Hauptanreiz, Bitcoin zu sparen, besteht darin, dass er ein unveränderliches Recht darstellt, einen festen Prozentsatz der gesamten Geldmenge der Welt auf unbestimmte Zeit zu besitzen. Es gibt keine Zentralbank, die das Angebot der Währung willkürlich erhöhen und die Ersparnisse entwerten könnte. Durch die Programmierung einer Reihe von Regeln, die kein Mensch verändern kann, wird Bitcoin der Katalysator sein, der den Trend der Finanzialisierung umkehrt. Das Ausmaß der Finanzialisierung aller Volkswirtschaften ist ein direktes Ergebnis falsch ausgerichteter monetärer Anreize. Nun führt Bitcoin wieder die richtigen Anreize ein, die zum Sparen motivieren. Genauer gesagt war die Entwertung der finanziellen Ersparnisse der Haupttreiber für die Finanzialisierung; Punkt. Wenn die Dynamik, die dieses Phänomen ausgelöst hat, korrigiert wird, sollte es nicht überraschen, dass die Vorgänge bei umgekehrten Verhältnissen von sich aus einwandfrei ablaufen.

Wenn die Geldentwertung zur Finanzialisierung geführt hat, sollte die Rückkehr zu einem soliden Geldstandard logischerweise den gegenteiligen Effekt haben. Das Abebben der Finanzialisierungsflut ist zwar schon im Gange, doch fängt der Aufbau dieser Sogwirkung gerade erst an, weil die meisten Menschen die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben. Jahrzehntelang war es gängige Praxis, den größten Teil der gesamten Ersparnisse zu investieren, und das ändert sich nicht über Nacht. Je mehr die Welt jedoch über Bitcoin erfährt, während die globalen Zentralbanken Billionen von Dollar erschaffen und Anomalien wie 17 Billionen Dollar an negativ verzinsten Anleihen weiter bestehen, desto mehr Menschen werden die Zusammenhänge erkennen.

„Der Marktwert des Bloomberg Barclays Global Negative Yielding Debt Index stieg auf 17,05 Billionen US-Dollar [November 2020], den höchsten jemals verzeichneten Wert und übertraf knapp den Wert von 17,04 Billionen US-Dollar, den er im August 2019 erreichte.“ – Bloomberg News

Immer mehr Menschen werden die Idee, ihre Altersvorsorge in riskante Finanzanlagen zu investieren, in Frage stellen. Negativ verzinste Anleihen machen keinen Sinn; genauso wenig wie Zentralbanken, die innerhalb weniger Monate Billionen von Dollar erschaffen. Überall auf der Welt werden die Menschen das Gesamtkonstrukt des Finanzsystems in Frage stellen. Es mag zwar wie eine Binsenweisheit klingen, aber was wäre, wenn die Welt nicht so funktionieren müsste? Was wäre, wenn die ganze Zeit alles genau umgekehrt gewesen wäre und man, anstatt mit seinen Ersparnissen Aktien, Anleihen und andere finanzielle Risiken zu kaufen, einfach nur eine bessere Form von Geld gebraucht hätte?

Wenn jeder Einzelne anstatt grenzenloser Risikobereitschaft Zugang zu einer Form von Geld besäße, die nicht darauf programmiert ist, an Wert zu verlieren, könnte endlich wieder Vernunft in eine verrückte Welt einkehren und nebenbei noch die Wirtschaft stabilisiert werden. Machen Sie doch einfach mal das Gedankenspiel. Ist es vernünftig, dass praktisch jeder Mensch in große Aktiengesellschaften, Anleihen oder weitere zahlreiche Finanzprodukte investiert? Was beruhte davon schon immer auf den kaputten monetären Anreizen? Mit wie viel Risiken wurde die Altersvorsorge belastet, um gezwungenermaßen mit der Geldinflation und der Abwertung des Dollars mitzuhalten? Die Finanzialisierung war der Vorreiter und Auslöser der großen Finanzkrise. Und die Anreize des Geldsystems führten zu einer starken Finanzialisierung der Wirtschaft, obwohl sie nicht allein dafür verantwortlich waren. Falsche Anreize erhöhten die stark fremdfinanzierte Risikobereitschaft und führten zu einem weit verbreiteten Mangel an Ersparnissen, der eine der Hauptursachen für die Anfälligkeit und Instabilität war. Nur sehr wenige Menschen hatten Rücklagen für schlechte Zeiten und inmitten einer Liquiditätskrise lernt jeder den akuten Unterschied zwischen Geld- und Finanzvermögen kennen. Die gleiche Dynamik spielte sich zu Beginn des Jahres 2020 ab, als Liquiditätskrisen erneut auftraten.
Das Sprichwort lautet: Wer zweimal auf den gleichen Trick hereinfällt, ist selber schuld! Alles ist auf den Zusammenbruch des Geldsystems und das moralische Risiko zurückzuführen, das durch ein Finanzsystem geschaffen wurde, das selbst durch falsch ausgerichtete monetäre Anreize entstand. Es ist unverkennbar, dass die Instabilität des Wirtschaftssystems im weiteren Sinne durch das Geldsystem verursacht wurde. Je mehr sich diese Vorfälle wiederholen, desto mehr Menschen werden nach einem besseren und nachhaltigeren Weg suchen. Jetzt, wo Bitcoin zunehmend in den Mittelpunkt rückt, präsentiert sich ein Marktmechanismus, der das Wirtschaftssystem entfinanzialisieren und heilen wird. Der Prozess der Entfinanzialisierung geschieht, wenn das in Finanzanlagen gespeicherte Vermögen in Bitcoin umgewandelt wird und jeder Marktteilnehmer zunehmend eine verlässlichere Form des Geldes gegenüber Risikokapitalanlagen bevorzugt. Die Entfinanzialisierung wird sichtbar sein, vor allem durch die wachsende Bitcoin-Akzeptanz, die Wertsteigerung von Bitcoin im Vergleich zu allen anderen Vermögenswerten und durch die Entschuldung des gesamten Finanzsystems. Mit der Einführung von Bitcoin als globalen Geldstandard wird gegenüber Bitcoin fast alles an Kaufkraft verlieren. Als nächstes wird Bitcoin Anteile von Finanzanlagen gewinnen, die bisher als naheliegender Wertspeicher fungierten; dann werden logischerweise die Vermögenswerte, die lange Zeit als Geldersatz gedient haben, zunehmend in Bitcoin umgewandelt. Im Rahmen dieses Prozesses wird das Finanzsystem im Verhältnis zur Kaufkraft des Bitcoin-Netzwerks schrumpfen. Die Existenz von Bitcoin als soliderer Geldstandard wird nicht nur eine Rotation aus Finanzanlagen bewirken, sondern Bitcoin wird auch die künftige Nachfrage nach nahezu renditenlosen Anlagentypen schmälern. Warum sollte man Staatsanleihen mit Renditen nahe Null, illiquide Unternehmensanleihen oder Aktien mit Risikoprämie kaufen, wenn man den knappsten Vermögenswert (und die knappste Form von Geld) besitzen kann, den es je gegeben hat?

Es könnte mit den offensichtlich überteuerten Finanzanlagen beginnen, wie z. B. Staatsanleihen mit negativer Rendite, aber es steht letztlich alles auf der Abschussliste. Im Zuge dieser Rotation werden die Preise von Vermögenswerten, die nicht Bitcoin sind, unter Druck geraten, was wiederum den Wert von Schuldpapieren, die von diesen Vermögenswerten gestützt werden, unter Druck setzen wird. Die Nachfrage nach Krediten wird auf breiter Front einbrechen, was dazu führen wird, dass das Kreditsystem insgesamt schrumpft (oder zu schrumpfen versucht). Dies wiederum wird die Notwendigkeit einer Geldmengenausweitung (Erhöhung der Basisgeldmenge) erhöhen, um die Kreditmärkte aufrechtzuerhalten und zu stützen, was wiederum die Umschichtung aus Finanzanlagen in Bitcoin weiter beschleunigt. Der Prozess der Entfinanzialisierung wird sich durch die Rückkopplungsschleife zwischen dem Wert der Finanzanlagen, dem Kreditsystem und der Geldmengenausweitung selbst verstärken und beschleunigen.

Im Wesentlichen werden sich im Laufe der Zeit und mit der Verbreitung von Wissen immer mehr Menschen für die Einfachheit von Bitcoin (und seinem festen Angebot von 21 Millionen) entscheiden und nicht für die Komplexität von Finanzanlagen und den finanziellen Risiken. Finanzanlagen sind mit einem operationellen Risiko und einem Kontrahentenrisiko behaftet, wohingegen Bitcoin ein Inhaberwert ist, der in seinem Bestand vollkommen festgelegt, in hohem Maße teilbar und leicht übertragbar ist. Die Nutzwerte von Geld und von finanziellen Vermögenswerten sind grundverschieden. Mit Finanzanlagen hat man einen Anspruch auf den Einkommensstrom eines Produktionsvermögens, angegeben in einer bestimmten Form von Geld. Der Inhaber des finanziellen Vermögenswerts trägt sein Risiko in der Erwartung, in Zukunft mehr Geld dadurch zu verdienen. Genau darum geht es beim Besitz und Halten von Geld: Es ist so wertvoll, weil es in der Zukunft gegen Waren und Dienstleistungen eingetauscht werden kann. Kurz gesagt: Mit Geld kann man Lebensmittel kaufen, mit Ihrer Lieblingsaktie, -anleihe oder -staatsanleihe nicht, und das hat seinen Grund.

Es gibt und gab schon immer einen grundlegenden Unterschied zwischen Sparen und Investieren: Ersparnisse werden in Form von Geldwerten gehalten und Investitionen sind Ersparnisse, die einem Risiko ausgesetzt werden. Die Grenzen mögen im Zuge der Finanzialisierung des Wirtschaftssystems verwischt worden sein, doch Bitcoin wird sie wieder sichtbar und den Unterschied wieder offensichtlich machen. Geld mit der richtigen Anreizstruktur wird die Nachfrage nach komplexen Finanzanlagen und Schuldpapieren in den Keller treiben. Der Durchschnittsbürger wird sich intuitiv und mit überwältigender Mehrheit für die Sicherheit entscheiden, die ein Geldmedium mit einem festen Mengenangebot bietet. In dem Maße, in dem sich der Einzelne aus Finanzanlagen zurückzieht und in Bitcoin investiert, wird sich die Wirtschaft entfinanzialisieren. Die Machtverhältnisse werden sich auf natürliche Weise von der Wall Street weg und zurück zur Main Street verlagern.

Das Bankwesen wird nicht mehr im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen, sondern sich mit allen anderen Branchen in einen direkten Wettbewerb um Geldmittel begeben. Heute ist das Geld weitgehend an das Bankensystem gebunden, doch das wird in einer bitcoinisierten Welt nicht mehr der Fall sein. Als ein Teil des Übergangsprozesses wird sich der Geldfluss zunehmend vom Bankenbereich lösen; das Geld wird freier und direkter zwischen den Wirtschaftsteilnehmern fließen, die wirklich Werte schaffen.

Die Funktion der Kreditmärkte, der Aktienmärkte und der Finanzdienstleistungen wird weiterhin bestehen, aber sie wird unbedeutender werden. Bitcoin wird die Wirtschaft grundlegend umstrukturieren, weil die finanzialisierte Wirtschaft die immer knapper werdenden Ressourcen verbraucht und die monetären Anreize besser auf diejenigen abgestimmt sind, die echte wirtschaftliche Werte schaffen. Die Entmutigung zu Sparen hatte gesellschaftliche Folgen, aber jetzt steuert das Schiff in die richtige Richtung und in eine bessere Zukunft. In dieser Zukunft werden die Tage gezählt sein, an denen jeder ständig über sein Aktien- und Anleihenportfolio nachdenkt, und es kann mehr Zeit damit verbracht werden, sich wieder den Grundlagen des Lebens und den Dingen zu widmen, die wirklich wichtig sind.

Der Unterschied zwischen dem Sparen mit Bitcoin (kein Risiko eingehen) und Finanzinvestitionen (Risiko eingehen) ist wie Tag und Nacht. Es hat etwas Erlösendes, wenn man eine Form von Geld zum Sparen benutzt, die einem selbst Vor- anstatt Nachteile bringt. Es ist so, als ob eine große Last von den Schultern genommen wird, von der man nicht einmal wusste, dass sie existiert. Es mag nicht sofort auffallen, aber im Laufe der Zeit führt das Sparen in einer Geldform, die die richtigen Anreize bietet, dazu, dass man weniger über Geld nachdenkt und sich weniger Sorgen macht, anstatt davon besessen zu sein. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Milliarden von Menschen, die alle eine gemeinsame Währung verwenden, sich mehr darauf konzentrieren können, Werte für ihre Mitmenschen zu schaffen, als sich um das Geldmachen und Finanzanlagen zu sorgen. Wie diese Zukunft genau aussieht, weiß niemand, aber Bitcoin wird die Wirtschaft entfinanzialisieren und das wird zweifellos ein Neuanfang sein.


Dies ist ein Gastbeitrag von Parker Lewis von Unchained Capital. Die geäußerten Meinungen sind ausschließlich seine eigenen und spiegeln nicht notwendigerweise die von Aprycot Media wider.

Die anderen Artikel dieser Serie findest du in unserer Mediathek unter Gradually, Then Suddenly.

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